Elben Drachen Schatten
nicht anders, als dir Sorgen um die Zukunft zu machen, nicht wahr, Keandir?«, flüsterte Ruwen schließlich.
»Deshalb bin ich König«, erwiderte er. »Und die Quelle meiner Sorgen liegt dort unten im Süden, in den Ländern am Pereanischen Meer. Ich kann es förmlich spüren, dass sich dort etwas zusammenbraut – etwas, das uns alle betreffen wird. Die Ruhe, die wir im Moment genießen, ist nur die Ruhe vor dem Sturm – und das Verschwinden von Kapitän Ithrondyr ist dafür nur eines von vielen Indizien.«
»Und wenn ich Euch nun vorschlage, Eurem wagemutigen Kapitän Ithrondyr, der Euch all die Jahre so treu und regelmäßig mit Nachrichten aus dem südlichen Meer versorgte, einfach noch etwas mehr Zeit zu geben?« Sie war wieder in die distanziertere Anrede gewechselt, denn nun sprach sie nicht mehr mit ihrem Geliebten, sondern mit dem König aller Elben. »Vielleicht erlebt er irgendwo dort unten in diesen fernen Rhagar-Ländern einfach nur ein interessantes Abenteuer oder erlitt Schiffbruch und ist nun gezwungen, sein Schiff wieder instand zu setzen, so wie es Kapitän Isidorn geschah, als er zum ersten Mal zu den Gestaden des Eislandes reiste.«
Keandir strich seiner Gemahlin zärtlich über das Haar und schmunzelte, als er ihre Absicht erkannte. »Ihr wollt nicht, dass ich selbst in den Süden segle, nicht wahr?«
»Der Gedanke gefällt mir ganz und gar nicht, das gebe ich zu«, erwiderte sie. »Dazu habe ich Euch viel zu gern an meiner Seite.«
Da Keandir dieses Gefühl teilte, entschied er sich gegen seine Vernunft dazu, tatsächlich noch eine Weile zu warten. Was war schon ein Jahr im Leben eines Elben oder zwei …
Als aber Ithrondyr auch im vierten Jahr nicht zurückkehrte, ließ der König der Elben die »Tharnawn« herrüsten, um in den Süden aufzubrechen. Diesmal wollte er, dass sein Sohn Magolas ihn begleitete, während Andir zu Hause in Elbenhaven bleiben sollte.
»Ich bitte Euch, seid ehrlich zu mir und nennt mir den tatsächlichen Grund, dass ich Euch begleiten soll«, forderte Magolas. Beide befanden sich im Thronsaal der Burg, waren aber unter sich.
»Der Grund ist ganz einfach«, erklärte Keandir. »Ich schätze deine Begleitung. Du warst sehr gelehrig, und in vielen Dingen kann ich dich heute um Rat fragen, während es früher umgekehrt war.«
Magolas verzog das Gesicht. »Ihr wollt allen Ernstes behaupten, einen Ratgeber zu brauchen?« Er lachte heiser und schüttelte so heftig den Kopf, dass ihm das pechschwarze Haar in die Augen fiel. »Nein, Ihr wisst so gut wie ich, dass der wahre Grund ein ganz anderer ist.«
»So?«, fragte Keandir und hob die Brauen.
»Ihr misstraut mir, Vater. Ihr denkt, dass ich während Eurer Abwesenheit als Erstes in das Verlies mit den Zauberstäben des Augenlosen Sehers gehen werde, um mich daran zu versuchen, ihre Magie zu wecken!«
»Ist das etwa nicht so?«, fragte der König in ruhigem Tonfall. »Willst du etwa behaupten, die dunkle Anziehungskraft, die diese Stäbe auf dich ausüben, hätte nachgelassen?«
Magolas schluckte. Seine Stimme klang belegt, als er antwortete: »Bei Andir kennt Ihr dieses Misstrauen nicht, Vater!«
»Ich habe bei ihm auch noch nie ein gesteigertes Interesse an diesen Stäben entdecken können.«
»Dann liegt das vielleicht daran, dass Ihr Euren älteren Zwillingssohn gar nicht so gut kennt, wie Ihr glaubt«, entgegnete der Elbenprinz. »In Wahrheit träumt er wahrscheinlich genauso von diesen Stäben wie ich und weiß es nur besser zu verbergen.«
»Genug jetzt!«, unterbrach Keandir seinen Sohn.
Doch Magolas gab nicht nach. »Habt Ihr ihn mal danach fragt? Nein? So holt dies nach. Ich gehe jede Wette ein, dass ich recht behalten werde! Aber wahrscheinlich wollt Ihr es gar nicht so genau wissen und verschließt deshalb Augen und Ohren vor der Wahrheit. Doch ich teilte denselben Mutterleib mit ihm, und wenn wir uns auch später entzweiten, so ist doch immer noch eine enge geistige Verbindung zwischen uns vorhanden. Ich spüre, was in ihm vorgeht, wenn ich ihm begegne – auch wenn wir jedes Wort zwischen uns vermeiden.«
»Meine Entscheidung steht fest«, sagte der König unwillig. »Ich brauche jemanden an meiner Seite, der deine Fähigkeiten hat. Jemanden, der segeln und kämpfen kann ― und niemanden, der mir den Inhalt irgendwelcher uralten Schriften zu rezitieren vermag.«
»Und keinen Magier, der für Euch die Barbaren beeindruckt?«, hakte Magolas nach.
»So viel verstehen auch du und ich von
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