Elben Drachen Schatten
geschäftigen Kuldan. Es war schwierig, sich durch die wogenden Menschenmassen zu drängeln. Das Gebiet um den Hafen herum war von Händlern geradezu belagert. Sie kamen aus aller Welt und verkauften die Waren von den eingelaufenen Schiffen.
Bald kamen Kryll und seine beiden Begleiter in weniger überfüllte Stadtviertel. Die breiten Boulevards am Hafen endeten in engen Gassen, in denen sie nur vereinzelt jemandem begegneten.
Während sie durch die Gassen eilten, dachte der König über Lathors Tod nach.
Was wird mir am Ende blühen, wenn ich mich eines Tages gegen Tarak stellen sollte? fragte er sich.
Vielleicht konnte er dem Namenlosen zuvorkommen...
Jedenfalls stand fest, daß Kryll nicht die Absicht hatte, als willenloser Sklave Taraks zu enden. Er war sein eigener Herr und wollte es bleiben!
Und bald auch Herr einer ganzen Welt! ergänzte er in Gedanken.
Aber Kryll hatte wenig Neigung dazu, letztlich nichts weiter zu sein, als eine Art Statthalter für Tarak, den Herrn des Schattenlandes.
Vorausgesetzt er nimmt dir nicht auch diese bescheidene Rolle, wenn er ersteinmal bekommen hat, was er will! durchzuckte es Kryll eisig.
Aber Kryll war sich sicher, daß er irgendeine Möglichkeit findedn würde, um Tarak zu gegebener Zeit entgegenzutreten - und dasselbe galt für den Namenlosen.
Doch zuvor mußte er sich im Besitz des Ringes und des Spiegels befinden und alles über diese beiden magischen Werkzeuge in Erfahrung bringen, was es über sie zu wissen gab.
Dann erst konnte er seine Pläne verwirklichen.
Für einen Moment begann Zweifel in seinem Inneren zu nagen.
Er spürte den Hunger nach Macht, der ihn von innen heraus schier zu zerfressen drohte und ihn mehr und mehr zu beherrschen begann.
Es ist ein Spiel mit hohem Einsatz! dachte er. Die Mächte, die er er heraufbeschwor, konnten sich als zweischneidiges Schwert entpuppen. Sie waren gefährlich - und zwar gleichermaßen für Freund und Feind gleichermaßen.
*
Kryll, Norjan und der Namenlose kamen nun in die Außenbezirke von Kuldan. Die tharkische Hauptstadt war eine wild in die Umgebung wuchernde Stadt. Zahllose Bauern, deren Erträge zurückgingen, und deren Boden nicht mehr das Lebensnotwendige abgab, wurden von der großen Stadt wie magisch angezogen. Dort versuchten sie, ihr Glück zu machen, aber nur den wenigsten gelang das auch.
An die dicht besiedelte Stadt schloß sich das ausgedehnte Bergland von Thark an. Auf einer Anhöhe war eine verwitterete Ruine zu sehen. Aber trotz ihres offenbar fortgeschrittenen Alters machte das steinerne Gebäude einen massiven und stabilen Eindruck. Etwas Zeitloses schien über diesem Ort zu liegen.
Der Namenlose deutete mit der Rechten in Richtung der Ruine.
"Dort ist die Zitadelle des Ringes!" erklärte er mit einem merkwürdigen Unterton.
"Sie scheint verlassen!" meldete sich Norjan zu Wort.
"Aber der Schein trügt!" warnte der Namenlose.
Weder Kryll noch Norjan bezweifelten, daß der Namenloser recht behalten würde, obwohl es mehr ein bestimmtes Gefühl war, daß ihnen das sagte, als irgendwelche äußerlich sichtbaren Anzeichen...
Als sie die Ruine erreichten, holte der Namenlose seine monströse Axt hervor und trat mit einem einzigen, wohlplatzierten Tritt eine morsch gewordene Holztür auf. Mit einem häßlichen Krachen brach sie aus ihren verrosteten Scharnieren heraus. Einige kleinere Steine rutschten aus der Wand heraus, Staub wurde aufgewirbelt.
"Wir werden uns durch diesen Krach verraten!" vermutete Kryll.
Aber den Namenlosen ließ das ungerührt.
"Die Wesen, die in diesem Gemäuer hausen, haben uns schon längst entdeckt - und zwar spätestens zu dem Zeitpunkt, da wir diesen Hügel erstiegen!" war seine im Brustton der Überzeugung gesprochene Entgegnung.
Vor ihnen eröffnete sich ein düsterer Gang.
Er sah nicht sehr einladend aus. Und aus diesem Gang drang soetwas wie ein Summen.
"Was ist das?" erkundigte sich Kryll.
"Der Gesang der Ringwächter. Er hat nichts zu sagen!" war die Antwort des Namenlosen.
Er hob die Axt und hielt sie hoch über dem Kopf.
Das Summen - der Gesang der Ringwächter - war für die Ohren von Kryll und Norjan ein grauenhaftes, quälendes Geräusch, das bereits nach wenigen Augenblicken zermürbend wirkte.
"Bleibt dicht hinter mir!" befahl der Mann aus dem Schattenland jetzt. Kryll und Norjan nickten einhellig. Mit vorsichtigen Schritten stapfte der Namenlose tiefer und tiefer in den düsteren Gang hinein.
Die beiden anderen folgten ihm.
Hoch
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