Elben Drachen Schatten
nickte jetzt.
Die Zweifel schienen verflogen.
"Ich glaube dir, Namenloser!"
"So wirst du mich jetzt also endlich zu Shyrkondar führen?"
"Ja, das werde ich. Aber ich würde dir nicht raten, mein Vertrauen zu mißbrauchen..."
"Ich gebe dir mein Wort."
Thauriach bedeutete dem Namenlosen mit einer Handbewegung, ihm zu folgen.
4. DER KAMPF MIT DEM WEISSEN VOGEL
Krylls Schwert war blutverschmiert.
Sein Weg war von einer Spur der Vernichtung und des Todes gezeichnet, aber er hatte den weißen Vogel nicht finden kön- nen. Verzweifelt hatte er nach der Höhle Shyrkondars gesucht.
Doch bisher erfolglos.
Kryll spürte den gespenstischen Hunger in sich nagen, den Hunger nach Macht. Und dieser Hunger trieb ihn beständig vorwärts, und ließ ihn weiter umherirren.
Da trat ihm plötzlich aus dem Nichts heraus eine Gestalt entgegen, die er sehr wohl kannte. Es handelte sich um einen hochgewachsenen mann, dessen Gesicht von einem gelbblonden Bart umrahmt wurde. Ein Auge war offenbar blind, denn es wurde von einer Filzklappe bedeckt.
"Kryll!" rief der Mann.
Kryll blieb stehen. Seine Augen verengten sich. Er atmete tief durch.
"Tarak!"
"Ja, so ist es..." Tarak lächelte, während Krylls Züge versteinert waren. Nach einem Augenblick des Schweigens fuhr Tarak fort: "Du suchst die Höhle Shyrkondars, nicht wahr?"
Kryll nickte.
"Ja..."
"Stimmt es Kryll, daß du den weißen Vogel töten willst?"
"Ja, so ist es!" Seine eigene Stimme klang in Krylls Ohren auf einmal wie die eines Fremden.
"Ich werde dir helfen!"
"Dann wirst du mich zu Shyrkondars Höhle führen?"
"Ja."
*
Zusammen setzten sie nun ihren Weg durch den dichren Wald von Givera fort. Mit einer gespenstischen Sicherheit fand Tarak im unübersichtlichen Unterholz seinen Weg. Sie waren schon eine ganze Weile schweigend gegangen, da sah Kryll plötzlich leichte Nebelschwaden über die Büsche ziehen.
Aber es schien kein natürlicher Nebel zu sein, sondern jener Art zu gleichen, die die gesamte Insel wie einen Cordon umgab.
Der Traumnebel!
Kryll schauderte.
Er blieb stehen.
"Was ist?" fragte Tarak etwas unwirsch.
"Der Nebel..."
"Was ist damit?"
"Er plagt einen mit Visionen - mit Bildern des Schreckens!"
Tarak lachte.
"Bist du nicht auch durch solch einen Nebel gekommen, bevor du Givera bertreten hast?"
"Ja. Und es war furchtbar."
"Wenn du weißt, daß es sich nur um Visionen handelt, dann kannst du sie zerstören! Du kannst sie aus deinem Geist verbannen!"
"Ich gehe nicht weiter in den Nebel!"
Eine scheinbar unbegründete Panik hatte den Praganier erfaßt.
Tarak sah ihn streng an.
"Du wirst gehen!" bestimmte er.
"Ich... ich kann nicht!"
"Du kannst!"
"Die Visionen... Ich habe Angst!"
"Angst vor deinen eigenen Träumen?"
"Ja!"
Kryll schrie die letzte Erwiderung förmlich heraus. Er begann zu zittern.
"Was sind schon Träume und Illusionen, Kryll...."
"Ich bin mit einem Schiff nach Givera gekommen, daß aus Traum und Illusion bestand. Selbst der Steuermann war nichts als Einbildung - und dennoch existierte er! Auch das Schiff existierte zweifellos! Ich habe gelernt, daß die Grenze zwischen Illusion und Realität sehr fließend sein kann..."
"Um Shyrkondar zu töten mußt du durch diesen Nebel hindurch, Kryll!"
Kryll faßte sich an den Kopf.
"Mag sein, aber..."
"Wir haben nicht mehr viel Zeit!"
Der König blickte auf.
"Weshalb nicht? Wer sollte uns drängen?"
"Der Namenlose ist auf unserer Spur!"
Einen Augenblick lang schwieg Kryll. Dann sagte er: "Aber der Namenlose ist tot! Ich selbst habe ihn getötet!"
Tarak lächelte bedauernd.
"Du hast dich eben geirrt!"
"Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen!"
"Ein Schatten besitzt kein Herz. Du hast dich täuschen lassen!"
Tarak trat dicht an den jungen König heran. "Diese Nebelbank scheint ziemlich dünn zu sein. Wir werden sie schnell überwunden haben. Danach ist unser Ziel so gut wie erreicht!"
Kryll zögerte.
Dann nickte er schließlich.
"Gut! Ich werde es wagen. Aber ist es denn außerhalb deiner Macht, mich vor diesen Visionen zu schützen?"
Der Herr der Schatten antwortete nicht - er wandte Kryll nur einen stummen, nachdenklichen Blick zu.
Dann ging er voraus und der König folgte ihm zögernd.
*
Aus dem Nebel schienen sich Gesichter zu bilden - und sie waren allesamt völlig gleich!
Als er die Züge erkannte, schauderte ihn.
Es waren Abbilder seines eigenen Gesichtes!
"Du wirst dein Gesicht verlieren!" rief einer dieser Nebelgeister.
Kryll schluckte. Er
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