Elben Drachen Schatten
Magiers zu tun«, überlegte Merandil der Hornbläser laut. »Ein Zauberer könnte sie geschaffen haben, und sie stehen in seinen Diensten.«
»Und wer war es, der dieses Relief in der Felsenküste schuf?«, fragte Thamandor der Waffenmeister.
»Wir werden schon erfahren, was für Kreaturen das sind«, war Sandrilas überzeugt. »Jetzt folgt mir! Wir müssen den König finden …«
Die Gruppe setzte ihren Weg fort, doch die Orientierung wurde selbst für die Elben sehr schwierig, denn es wurde immer dunkler. Prinz Sandrilas und seine Männer kamen nur langsam voran. Sie stiegen rutschige Hänge empor und vergewisserten sich an höher gelegenen Stellen, dass sie immer noch auf dem richtigen Weg waren.
Ab und zu waren auch wieder die charakteristischen Laute der Affenartigen zu hören, allerdings nur noch gedämpft.
»Sie scheinen zu ahnen, dass unser Gehör sehr viel feiner ist als das ihrer normalen Jagdbeute«, meinte Merandil leise.
Thamandor verzog das Gesicht. »Wer sagt Euch, dass die Ohren dieser Bestien nicht ebenso fein sind wie unsere?«
Diese Möglichkeit zog auch Prinz Sandrilas in Betracht. Und ein Trupp von fünfzig Elben konnte sich nicht derart lautlos bewegen, dass die Feinde sie nicht bemerkten. Daher machte er einen Vorschlag: »Ich werde mich mit ein paar Kundschaftern dem Feuer möglichst unbemerkt nähern. Die Anderen halten sich an einer geschützten Stelle verborgen und greifen erst ein, wenn sie das Horn Merandils hören!«
»Aber weshalb dieses Risiko eingehen?«, fragte Ygolas der Bogenschütze. »Wir könnten sie mit großer Übermacht schlagen! Ihren Schreien nach zu urteilen, sind es nicht sehr viele.«
»Es geht mir nicht darum, sie niederzumetzeln, sondern herauszufinden, was mit unserem König und seinen Begleitern ist«, erklärte Prinz Sandrilas.
»Das werden Euch diese primitiven Kreaturen mit Sicherheit gern verraten«, sagte Siranodir mit den zwei Schwertern spöttisch. »Sie sind kaum einer Sprache fähig – wenn dieses Gekreische überhaupt eine Sprache ist!«
»Vom König und seinen Begleitern haben wir bisher nichts gehört«, mischte sich Thamandor der Waffenmeister ein. Seine Hände ruhten auf den Griffen seiner Einhandarmbrüste, die er am Gürtel trug. »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie sich als Gefangene in jenem Lager befinden.«
»Nein, aber die Geflügelten dort gehören mit großer Wahrscheinlichkeit zu der Gruppe, die den König überfiel«, entgegnete der Prinz. »Und wenn nicht, so wissen sie vermutlich dennoch, wo wir ihn und sein Gefolge finden können. Darum will ich sie auch nicht niedermachen. Zunächst nicht! Vielleicht finden wir etwa heraus, indem wir sie beobachten. Falls uns das nicht weiterbringt, wird Merandil das Horn blasen, und wir alle werden angreifen und möglichst viele von ihnen gefangen nehmen. Vielleicht gewinnen wir dadurch neue Erkenntnisse.«
»Ihr setzt voraus, dass sie vernunftbegabt sind und tatsächlich eine Sprache haben«, erkannte Ygolas.
Aber Sandrilas schüttelte den Kopf. »Sie brauchen nicht zu sprechen, um uns zum König zu führen.«
Dann wählte er den Hornbläser Merandil, Thamandor den Waffenmeister und den Fährtensucher Lirandil als seine Begleiter aus. Den Rest des Trupps teilte er in zwei Gruppen auf – eine unter dem Kommando von Ygolas, die andere unter der Führung Siranodirs mit den zwei Schwertern. In einer Zangenbewegung sollten sich die beiden Gruppen dem Feuer nähern, dabei aber so lange Abstand halten, bis sie Merandils Signal hörten.
Thamandor der Waffenmeister legte jeweils einen Bolzen in seine Einhandarmbrüste ein, dann war der Spähtrupp zum Aufbruch bereit. Prinz Sandrilas hatte seinen Trupp mit Bedacht zusammengestellt. Merandil sollte natürlich das Horn blasen, und Thamandor verfügte über die stärkste Bewaffnung. Lirandil hingegen galt als ausgezeichneter Fährtensucher, was ihm den entsprechenden Namenszusatz eingebracht hatte. In der Zeit, als die Elben noch ihre Alte Heimat bewohnten, war er fast schon zur Legende geworden, so sicher hatte er die Spuren der unterschiedlichsten Geschöpfe zu erkennen vermocht. In jener Zeit hatte es viele Fährtensucher unter den Angehörigen des Lichtvolks gegeben, aber die Meisten von ihnen waren während der unendlich langen Reise dem Lebensüberdruss heimgefallen. Der Anteil unter ihnen, der diesem Leiden zum Opfer fiel, war sogar zehnmal größer als bei gewöhnlichen Elben. Die Heilkundigen hatten dafür nur eine Erklärung:
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