Elben Drachen Schatten
Was mit Siranodir, Sandrilas und den anderen noch lebenden Mitgliedern des ihn begleitenden Elbentrupps war, bekam er kaum mit.
Vater …
Wieder war da die Gedankenstimme seines Sohnes Magolas. Keandir erkannte sie diesmal sofort, und der Schmerz, der sich in ihr ausdrückte, erschrak den Elbenherrscher bis tief in die Seele.
Was ist mit dir geschehen, mein Sohn?
Als Herrscher verschiedener Reiche standen sie sich seit mehr als einem Menschenalter gegenüber – aber es waren die Umstände, die sie getrennt hatten, nicht die Gefühle, die Vater und Sohn füreinander empfanden. Auch wenn Magolas inzwischen von den Menschen als Großkönig verehrt wurde und durch seine Liebe zu der Menschenprinzessin Larana dunklen Kräften verfallen war, die ihn zu einem willfährigen Diener machten, Keandirs Sorge um seinen Sohn war damit nicht erloschen, ganz im Gegenteil.
Mein Sohn, was tut man dir gerade an?
Keandir gelang es, eine magische Formel zu murmeln. Sammle dich, Finsternis meiner Seele … Er versuchte, den höllischen Schmerz in seinem Kopf zu ignorieren, und dies gelang ihm sogar ein wenig, während er gleichzeitig mit dem Schwert nach den immer wieder auf ihn herabstoßenden Rabenwinzlingen schlug, deren Gekrächze daraufhin aber nur um so schriller und schmerzhafter wurde.
Der durchdringende Schrei eines Elben ließ ihn im nächsten Moment beinahe das Blut in den Adern gefrieren. Es war Hauptmann Rhiagon.
»Meine Augen!«, schrie er heiser. »Meine Augen!«
Keandir spürte, wie die dunkle Kraft, die seit seinem Zusammentreffen mit dem Augenlosen Seher von Naranduin in ihm war, ihn wieder vollkommen erfüllte. Sie schwächte den Schmerz durch das Krächzen der Rabenwesen enorm ab, drängte die Schreie in den Hintergrund, und seine Augen füllten sich mit Dunkelheit; nichts Weißes blieb dort noch.
Doch dann geschah etwas, was bisher noch nicht geschehen war: Die Finsternis, dieses schwarze Etwas, drang ihm in Form winziger insektengleicher Teilchen aus Augen, Mund und Nase. Ein Schwarm aus unruhig durcheinander schwirrenden Teilchen, der an schwarzen Rauch erinnerte, breitete sich aus und hüllte einen Teil der Rabenwinzlinge ein. Deren Krächzen verwandelte sich in einen kreischenden Laut, dessen Schrillheit zwar noch immer eine Qual für jedes Elbengehör war, dem aber die Schadensmagie völlig fehlte. Hunderte von Rabenwinzlingen fielen wie Steine zu Boden. Sie waren hart gefroren, als wären sie in einem der sehr kalten Winter Nordbergens der Witterung zum Opfer gefallen.
Diejenigen Rabenwesen, die noch existierten, stoben augenblicklich davon und vereinigten sich - offenbar einem inneren Instinkt folgend - zu größeren Rabenungeheuern.
Siranodir hatte sich noch am besten gegen die Angriffe der Winzlinge zur Wehr setzen können, indem er Hauen und Stechen mit einer so großen Geschwindigkeit durch die Luft hatte wirbeln lassen, dass er Hunderte von ihnen regelrecht zersäbelt hatte. Schwarzes Gefieder unterschiedlichster Größe sowie zerschnittene und zerhackte Vogelkörper langen um ihn herum am Boden und legten davon Zeugnis ab.
Aber im Gegensatz zu seinen Gefährten war Siranodir mit den zwei Schwertern auch im Vollbesitz seiner Kräfte und daher seine Schnelligkeit nicht beeinträchtigt. Seit der Verletzung, als deren Folge sich sein Gehör dauerhaft auf das erbarmungswürdige Niveau eines Menschen herabgesenkt hatte, waren seine Augen merklich schärfer geworden, sodass er seine beiden Klingen noch präziser einsetzen konnte. Ein Objekt von der Größe einer Fingerkuppe im freien Fall mit dem Schwert zu zerteilen war für ihn keine Schwierigkeit. Dementsprechend tödlich war seine Bilanz gegenüber den Rabenwinzlingen.
Allerdings hatte auch Siranodir einige üble Schnabelverletzungen davongetragen, denn aufgrund der großen Zahl der Angreifer war es auch ihn nicht möglich gewesen, alle Angriffe abzuwehren. Am Hals klaffte eine blutende Wunde, die sich nur allmählich schloss, obgleich Siranodir den Heilungsprozess mit ein paar entsprechenden Zauberformeln unterstützte.
Er stellte sich vor den am Boden kauernden, völlig hilflosen Hauptmann Rhiagon, dessen Augen durch die Schnäbel der Raben völlig zerstört waren. Blut rann Rhiagon übers Gesicht, und er war halb wahnsinnig vor Schmerz. Die Einhandarmbrust lag auf dem Boden, und mit dem Schwert versuchte er sich gegen die angreifenden Rabenwinzlinge mehr schlecht als recht zu verteidigen.
Prinz Sandrilas war ebenfalls schwer verletzt. Der
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