Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
einäugige Elbenprinz hieb mit seinem Schwert um sich und versuchte auf diese Weise, die Angreifer zu verscheuchen. Nur selten traf er einen von ihnen, denn in der Abschätzung von sich bewegenden Objekten war er aufgrund seiner Einäugigkeit längst nicht so gut wie Siranodir. Außerdem hatten ihm die Schreie zu Anfang mehr zugesetzt als vielen anderen Elben. Nur die Erfahrung eines selbst für elbische Verhältnisse schon sehr langen Lebens hatte Sandrilas vor der Zerstörung seines Geistes bewahrt. In den Jahrtausenden, die seit seiner Geburt in der alten Heimat Athranor vergangen waren, hatte er gelernt, seine Sinne im Notfall abzuschirmen, um sich gegen zu intensive Empfindungen zu schützen – eine Fähigkeit, über die jeder Elb verfügte, aber mit zunehmendem Alter pflegten Elben sich darin zu perfektionieren. Es war letztlich eine Frage der Erfahrung.
    Die Folgen Dutzender Schnabelattacken waren an Sandrilas Körper unübersehbar. Vor allem an der rechten Seite, die er den Angreifern zugewandt hatte, um sich zu verteidigen, hatte er zahlreiche, zum Teil schwere Verletzungen davongetragen. Das Blut rann ihm vom Hals und an der Schulter herab. Der Ärmel seines Wamses war blutdurchtränkt, und manch einem dieser kleinen Ungeheuer war es sogar gelungen, seinen Kopf und das Gesicht zu attackieren. Knapp oberhalb seines einzigen Auges klaffte eine Wunde. Das Blut rann ihm übers Gesicht, und die Heilzauber halfen nur unzureichend.
    Die Wolke aus schwirrenden dunklen Teilchen, die König Keandir entwichen war, kündeten jedoch die Wende an. Sie breitete sich aus und hüllte immer weitere Gruppen von Raben ein, die daraufhin gefroren und hart wie Stein zu Boden fielen.
    Ein Gefühl der Kraft durchströmte Keandir erneut. Er hob sein Schwert Schicksalsbezwinger, reckte es in die Höhe, und erneut kam ein Schwall purer Finsternis aus Mund, Nase, Ohren und Augen. Dieser Schwarm aus winzigsten Teilchen bildete zunächst eine gestaltlose Wolke, die zur Spitze Schicksalsbezwingers strebte. Dort begann sich die Wolke zu drehen und einen Strudel zu bilden. Dieser Strudel glitt die Klinge hinab – genau bis zu jener Stelle, an der Schicksalsbezwinger einst während Keandirs Kampf gegen den Furchtbringer geborsten war.
    Das Tempo, in dem die kleinsten Partikel um die Klinge schwirrten, wurde immer rasender. Ein dumpfer, summender Laut entstand dabei. Die feinen Partikel verdichteten sich, wurden erneut zu einer Schwärze, die das Sonnenlicht nicht zu durchdringen vermochte. Dann schoss dieser finstere Wirbel die Klinge entlang, über die Schwertspitze hinaus und fuhr auf den bereits ziemlich zerstobenen Rabenschwarm zu. Jene, die von dieser Finsternis berührt wurden, wurden in die Schwärze gesogen und völlig von ihr verschlungen. Ein offenbar unentrinnbarer Sog entstand, dem sich selbst jene Rabenwinzlinge, die schon ein ganzes Stück davongeflogen waren, nicht entziehen konnten. Ihrem Kreischen wohnte keinerlei Schadenszauber mehr inne. Es waren Schmerzens- und Schreckenslaute.
    Während sie unaufhaltsam in den dunklen Schlund gezogen wurden, vereinigten sie sich teilweise zu größeren Rabenvögeln – offenbar in der Hoffnung, dem magischen Sog auf diese Weise widerstehen zu können. Doch das Gegenteil war der Fall. Ein Rabenungeheuer von der Größe eines Pferdes wurde regelrecht zerrissen, bevor die Einzelteile und selbst das zunächst in alle Richtungen spritzende Blut in den dunklen Schlund gezogen wurden.
    Das summende Geräusch, das an ein zorniges Hornissenvolk erinnerte, verklang, sobald die gesamte magische Rabenbrut verschlungen war.
    Keandir fühlte sich leer und kraftlos. Er sank auf die Knie und stützte sich auf Schicksalbezwinger, dessen Spitze er in den Boden gerammt hatte. Dabei fiel sein Blick auf seine Hände, die den Knauf des Schwerts umklammerten. Sie wirkten wie die Haut eines Menschen , der dem Tode nahe war. Da war nur spröde, von unzähligen Falten durchfurchte Haut, die sich wie brüchiges Pergament über die Knochen spannte.
    Kein bekannter Elb hatte jemals solche Hände gehabt. Nicht einmal Brass Elimbor, der dem Ende der natürlichen Lebensspanne eines Elben schon sehr nahe gekommen war, als ihm sein letzter Versuch, die Namenlosen Götter und die Jenseitigen zu beschwören, die letzte Lebensenergie genommen hatte.
    Keandir war zu schwach, um sich zu erschrecken. Aber er nahm den Schrecken in Siranodirs Blick wahr.
    Keandirs Augen waren noch immer pechschwarz wie die Nacht. Er zitterte.

Weitere Kostenlose Bücher