Elben Drachen Schatten
wünscht, Eure Erhabenheit.« Der Hofmeister senkte den Kopf zu einer untertänigen Verbeugung.
Larana kannte dies von Jugend an, schließlich war sie eine Rhagar-Prinzessin und damit aufgewachsen. Schon als Kind hatten ihr alle am Hof Ehrerbietung und Respekt entgegengebracht.
Ihr Gemahl Magolas hingegen hatte sich an diese zur Schau gestellte Unterwürfigkeit erst gewöhnen müssen. Die Elben respektierten ihren König und auch seine Familie und hegten keinen Zweifel an der Autorität Keandirs. Aber sie zeigten ihm dies nicht, in dem sich ständig vor ihm verbeugten oder auf den Knien vor ihm herumrutschten. Im Gegenteil, der Elbenkönig begegnete seinen Untertanen mit ausgesuchter Höflichkeit und war ihnen gegenüber stets freundlich. Die Rhagar hätten ein solches Verhalten ihres Regenten als Schwäche interpretiert.
Andererseits aber gehörte es auch zu den Gepflogenheiten am Hof, dass man die Mönche von der Gemeinschaft der Barmherzigen Brüder des Sonnengottes gut behandelte und ihnen Almosen spendete, denn sie waren bei der einfachen Bevölkerung sehr beliebt. Mit der regulären Priesterschaft des Sonnengottes hatten sie nichts zu tun und wurden von dieser sogar ziemlich misstrauisch beäugt. Schließlich beanspruchte die Priesterschaft die Deutungshoheit über den Kult des Sonnengottes, und so empfanden sie die Mönche eher als Konkurrenz denn als Brüder im Glauben. Denen wiederum ging es in erster Linie darum, Notleidenden zu helfen, denn sie vertraten die These, dass nicht die Menschen dem Sonnengott, sondern der Sonnengott in Wahrheit den Menschen diene, indem er in Gestalt barmherziger Menschen wirke. Um diese Lehre einfach als Ketzerei zu verbannen, war das Ansehen der Bruderschaft in der Bevölkerung einfach zu hoch. Inzwischen tolerierten sich beide Seiten.
Der Mönch, den der Hofmeister in den Saal führte, trug eine dunkelbraune Kutte und hatte die Kapuze weit über den Kopf gezogen, sodass sie ihm tief ins Gesicht hing, das größtenteils im Schatten lag. Nur das spitze, blass wirkende Kinn war sichtbar.
Dem Mönch folgten mehrere Straßenkinder in erbarmungswürdigem Aufzug. Sie trugen Lumpen und hatten Tücher um ihre Gesichter gewickelt, die ihre Gesichter bis auf die Augen bedeckte, weil sie vermutlich unter entstellenden Hautkrankheiten litten. Diese wiederum wurden ausgelöst durch Krankheiten, die man sich in den Gassen Stadt, die immer weiter wucherte und deren Ausdehnung die eigenen Stadtmauern längst gesprengt hatte, leicht holen konnte. Magolas hatte zu Beginn seiner Regentschaft versucht, diesem Elend durch den Einsatz elbischer Heiler Herr zu werden, aber die elbische Heilkunst erwies sich in diesem Fall als fast genauso wirkungslos wie bei dem Versuch, Laranas Leben über das lächerlich kurze Maß hinaus zu verlängern, das die Natur ihr zugestanden hatte.
Larana hatte gleich ein eigenartiges Gefühl der Beklemmung, als sie den Mönch sah. Ein Schauder rieselte ihr über den Rücken, doch erklären konnte sie sich dies nicht.
»Mein Gemahl ist leider nicht anwesend«, sagte sie. »So werde ich ihn den Großkönig vertreten, was gewiss in seinem Sinne ist.«
Erinnert Euch an Eure Träume!
Dieser Gedanke drängte sich Larana plötzlich auf, und sie war wie erstarrt.
»So tut Eure Pflicht gegenüber dem Sonnengott«, sagte der Mönch, »und lindert das Leid durch die Wärme Eures Mitgefühls, so wie die Sonne die Gläubigen und ihre Felder wärmt.«
Larana wandte sich an Hofmeister Comrrm. »Gebt mir die Schatulle«, forderte sie.
»Wie Ihr wünscht.« Der Hofmeister machte eine tiefe Verbeugung, dann brachte er ihr die mit magolasischen Golddukaten gefüllte Schatulle, für deren Inhalt ein gewöhnlicher aratanischer Seemann, Handwerker oder Hauslehrer mehrere Jahre hätte arbeiten müssen.
»Lass mich bitte mit dem Barmherzigen Bruder allein«, forderte Larana.
Dem Hofmeister schien dies zu widerstreben, aber er folgte selbstverständlich dem Wunsch seiner Gebieterin. »Wir Ihr meint, Eure Erhabenheit.«
Nachdem sich Hofmeister Comrrm zurückgezogen hatte, wandte sich Larana an den Mönch.
»Andir«, murmelte sie.
Der Mönch schlug die Kapuze seiner Kutte zurück, deren Farbe sich auf einmal merklich aufhellte, und Larana erkannte, dass sie in Wirklichkeit nicht aus grober Jute, sondern aus feinem Elbenzwirn gewebt war. Unter der Kapuze kam das von weißem Haar umrahmte, elfenbeinfarbene Gesicht des Elbenmagiers zum Vorschein.
»Warum seid Ihr so erstaunt, mich
Weitere Kostenlose Bücher