Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
seit Monaten mit keiner Elbenseele. Branagorn, ein Elbenkrieger aus dem Gefolge meines Mannes, liebt sie, aber nicht einmal diese Liebe ist stark genug, sie vor dem Lebensüberdruss zu befreien. Er wird von Tag zu Tag stärker in ihr, breitet sich aus wie Fäulnis und zerfrisst ihre Seele. Es wird nicht mehr lange dauern, und sie wird in einem unbeobachteten Moment in einer dieser furchtbaren mondlosen Nächte ins Wasser springen. Die dunklen Fluten werden sich über ihr schließen, und es wird so sein, als hätte sie nie existiert.«
    »Branagorn war bei mir und bat mich, ihr Essenzen zu geben, die ihr vielleicht helfen könnten«, verriet die Heilerin.
    »Und?«
    »Sie hat sich geweigert, sie zu nehmen.«
    »Wie so viele andere vor ihr …«
    »Das ist ein Bestandteil dieser grausamen Seelenkrankheit, die unser Volk nach und nach dahinrafft, Ruwen.«
    »Ich weiß. Und ich weiß auch, dass es so weit bei mir noch nicht ist. Ich bin noch ein paar Schritte von diesem gähnenden Abgrund des Todes entfernt, und für kurze Zeit habe ich mir eingebildet, er würde gar nicht existieren. Aber das war eine Illusion. Wenn ich jetzt Cherenwen sehe, dann sehe ich meine eigene Zukunft, die wahrscheinlich früher oder später die Zukunft aller Elben sein wird.«

    Das zweite Kundschafterschiff traf endlich ein, nachdem man schon lange seine Hornsignale durch den Nebel vernommen hatte. Es stand unter dem Kommando von Kapitän Isidorn. Mit für elbischen Verhältnisse ungewöhnlich enthusiastischen Freudenrufen wurde sein Schiff, die »Morantor« ― was soviel wie »Wellenbezwinger« hieß ―, empfangen. Mit den Speeren klopften die Krieger zum Willkommengruß rhythmisch gegen die Reling und untermalten damit die Hornfanfaren der Bläser, die es auf allen Elbenschiffen gab.
    Auch Kapitän Isidorn ließ sich mit einer Barkasse zum Flaggschiff bringen, und selbst diese Fahrt wurde noch mit Hornfanfaren begleitet.
    »Wie einen Helden lässt er sich feiern, obwohl dieser seegeborene Jüngling noch gar nichts vollbracht hat«, knurrte Fürst Bolandor. »An welch vergänglichen Ruhm die Jüngeren heutzutage ihre Leidenschaft heften.«
    »Ihr müsst zugeben, dass es während unserer Reise nicht viele Gelegenheiten gab, um sich nachhaltigeren Ruhm zu erwerben«, gab Kapitän Garanthor zu bedenken. »Insbesondere seit wir uns in diesem zeitlosen Nebelmeer verloren haben.«
    »Das ist bedauerlich«, fand der Fürst.
    »Vielleicht ändert sich das, sobald es uns gelingt, diese grüne Küste zu besetzen, Häfen und Städte zu gründen und …«
    »… und damit unser eigentliches Ziel aus den Augen verlieren«, wetterte Fürst Bolandor. »In dieser vollkommen grundlosen Freude, die unser gesamtes Volk erfasst zu haben scheint, verhalten sich viele von uns wie kurzlebige Narren. Wir sind unterwegs, um die Gestade der Erfüllten Hoffnung zu finden ― Bathranor. Aber inzwischen wagen es die Seegeborenen ja nicht einmal mehr, diesen Namen offen auszusprechen, weil sie ihn für ein überkommenes Relikt aus ferner Vergangenheit halten.«
    »Ist er das nicht auch in gewisser Weise, Fürst Bolandor?«
    Der Fürst bedachte Kapitän Garanthor mit einem Blick, in dem sich Wut und Schmerz die Waage hielten. Wut darüber, dass vielen der Jüngeren der uralte Traum von den Gestaden der Erfüllten Hoffnung offenbar nicht dasselbe bedeutete wie ihm. Und Schmerz darüber, dass die Ignoranz gegenüber den Träumen der Vergangenheit zu obsiegen drohte.
    Die Sehnsucht nach einer greifbaren Heimat war einfach zu stark geworden. Und viele Elben brauchten wohl einfach auch nur etwas, das sie von ihrem Hang zum Lebensüberdruss ablenkte.
    Wenig später kam Isidorn an Bord.
    Noch immer wurde er wie ein Held umjubelt, und Kapitän Ithrondyr ging sogleich auf ihn zu, um zu erfahren, ob es der »Morantor« gelungen war, bis zur Kontinentalküste vorzudringen.
    Isidorn verneinte dies. Seine Erzählung glich in fast allen Punkten dem, was auch schon Ithrondyr berichtet hatte; auch die »Morantor« war durch geheimnisvolle Winde daran gehindert worden, bis zur Küste vorzudringen.
    »Ihr wisst, dass ich ein guter Seemann bin«, sagte Isidorn. »Es ist gewiss keine Prahlerei, wenn ich behaupte, dass niemand sonst über vergleichbar großes seemännisches Geschick verfügt. Wir haben wirklich alles getan, um die Fluchwinde zu überwinden, die uns an der Weiterfahrt hinderten.«
    »Fluchwinde?«, echote Fürst Bolandor mit seiner sonoren, autoritätsgewohnten Stimme. Eine

Weitere Kostenlose Bücher