Elben Drachen Schatten
sich wieder zusammen. Fleisch bildete sich, der Staub verwandelte sich wieder in Kleidung, und innerhalb eines Lidschlags stand erneut der bereits vom Augenlosen einmal wiederbelebte letzte Ouroungour-König auf dem Steinquader.
Er breitete seine Lederschwingen aus und nahm sein Schwert vom Boden auf. Dann sprang er vom Quader, glitt mit ausgebreiteten Flügeln auf Keandir zu und hieb mit seinem Schwert auf den Elbenkönig ein. Keandir vermochte gerade noch auszuweichen.
Der Feuerbringer benutzte den Ouroungour wie eine Marionette. Der einfache Stahl der Klinge in den Pranken des letzten Königs schien ihm im Moment wirkungsvoller im Kampf gegen Keandir als seine Feuermagie.
Keandir strauchelte. Ein Hieb des Widergängers verfehlte ihn nur knapp, und die Klinge prallte mit voller Wucht auf den Steinboden. Funken sprühten. Die Augen des letzten Königs waren vollkommen erfüllt von dem grellweißen Licht, das der Feuerbringer ihm gesandt hatte.
Keandir rollte sich herum und wich damit einem weiteren furchtbaren Schlag seines Gegners aus. Dann rappelte er sich wieder auf und hieb zu. Mit zwei, drei sehr genau geführten Schwertstreichen zerteilte er den Körper seines Gegners in mehrere Stücke. Noch während das Blut des Ouroungours spritzte, verwandelte es sich wieder in Staub.
Er sank einfach in sich zusammen ― Knochen, Staub, zerfallende Kleidung und das Schwert, das mit einem metallisch scheppernden Laut auf dem kalten Stein auftraf.
Keandir atmete tief durch. Doch der Feuerbringer gönnte ihm keine Zeit zum Verschnaufen. Da er selbst wohl keine Möglichkeit mehr sah, den Elbenkönig wirkungsvoll zu bekämpfen, hatte er einen weiteren Marionettenkrieger unter seine magische Kontrolle genommen.
Keandir schrie auf, als er sah, um wen es sich handelte.
»Hyrandil!«, entfuhr es ihm.
Bolandor, der uralte Elbenfürst, hatte einst geschworen, erst Kinder zu zeugen, wenn die Elbenflotte die Gestade der Erfüllten Hoffnung erreicht hatte. Doch war er dann in den Armen einer jungen Elbin schwach geworden.
Nun bewegte sich sein Sohn mit ruckartigen Schritten auf den Kreis der Steinquader zu. Er war unbewaffnet; die Ouroungour, die ihn gefangen genommen hatten, hatten ihm das Schwert natürlich abgenommen.
Die Wunden, die Hyrandil davongetragen hatte, waren furchtbar. Ob ihm die hoch entwickelte Elbenheilkunst noch würde helfen können, war zweifelhaft. Außerdem war er zu einem Werkzeug des Feuerbringers geworden.
Hyrandils Augen waren weit aufgerissen. Die Angst leuchtete aus ihnen. Keandir spürte deutlich, dass der Sohn von Fürst Bolandor bei Bewusstsein war. Seine Gesichtsmuskulatur zuckte, so als wollte er etwas sagen, doch es gelang ihm nicht, ebenso wenig wie er die Kontrolle über den eigenen Körper wiedererlangen konnte. Ein grellweißes Leuchten trat in seine Augen – ähnlich wie beim letzten König der Ouroungour – und füllte sie vollkommen aus.
Er hob beide Hände.
Das Schwert des letzten Königs erhob sich vom Boden und flog in Hyrandils rechte Hand. Gleichzeitig erhob sich auch einer der Speere, die von einem der Äfflinge geworfen und im Steinquaderkreis zurückgeblieben war. Im letzten Moment duckte sich Keandir, denn der Speer hätte ihn sonst durchbohrt; nur ganz knapp jagte er – getrieben von der magischen Kraft des Feuerbringers – an Keandirs Hals vorbei. Im nächsten Moment umfasste Hyrandils Linke den Schaft der Waffe.
Er schritt mit stierem Blick auf Keandir zu und stellte sich zwischen den Elbenkönig und den arg verstümmelten Feuerbringer, dessen abgetrennte Gliedmaßen jedoch von überall her auf ihn zugekrochen kamen. Es war Keandir klar, dass er auf keinen Fall zulassen durfte, dass sich sein Gegner regenerierte. Wer konnte schon ahnen, was er noch gegen den Elbenkönig ins Feld führen würde? Er hatte zweifellos viel Kraft verloren, und so bestand für Keandir die Möglichkeit, ihn endgültig unschädlich zu machen.
Der König der Elben spürte in sich den Impuls, einfach das Schwert zu heben und Hyrandils Körper zu zerstückeln, so wie er es mit dem Widergänger des Ouroungour-Königs gemacht hatte. Er fühlte Wut und Hass in sich aufsteigen – und spürte doch gleichzeitig, dass dies nicht seine eigenen Empfindungen waren, sondern etwas, dass ihm von außen eingegeben wurde. Wie weit ging die Macht des Augenlosen, die er auf Keandir ausübte? Nun, es war nicht gerade der passende Moment, um sich darüber weitreichendere Gedanken zu machen.
Der Drang,
Weitere Kostenlose Bücher