Elben Drachen Schatten
aufgesogen. Sie tanzten noch in Form von Blitzen über die Klinge, und Keandir fühlte ein Prickeln seinen gesamten Körper durchlaufen, das so intensiv wurde, dass es schmerzte.
Nach einem Augenblick, der sich zu einer kleinen Ewigkeit dehnte, schrie er auf, doch sein heiserer Schrei mischte sich mit dem dumpfen Stöhnen der Kreatur, die ihn angegriffen hatte, und ein rasender Schmerz durchfuhr den Elbenkönig und betäubte ihn beinahe.
Einen Herzschlag lang hatte er den Eindruck, nicht mehr zu existieren. Er war nur noch dieser Schmerz. Kein einziger Gedanke, keine Erinnerung, kein noch so kleiner Überrest seiner Seele schien noch vorhanden.
Dann zuckte das Wesen zurück. Sein Stöhnen verwandelte sich in ein immer schriller werdendes Jaulen. Ein Laut, in dem gleichermaßen Schmerz und Fassungslosigkeit zum Ausdruck kamen. Wie lange musste es her sein, dass dem Feuerbringer ein Gegner gegenübergestanden hatte, der dazu in der Lage gewesen war, ihm wirklichen Schmerz zuzufügen?
Keandir erholte sich schneller, als er gedacht hätte. Der Feuerkreis, der die beiden so ungleichen Kämpfer umgab, war deutlich schwächer geworden. Die Flammen züngelten zwar immer noch aus den Steinquadern, reichten aber nicht mehr bis zur Decke, sondern hatten nur noch maximal Mannshöhe.
Der Feuerbringer war zumindest geschwächt, erkannte König Keandir, und die Kreatur schien auf einmal auch Respekt vor ihm zu haben. Das Wesen kroch auf einem halben Dutzend seiner unterschiedlich kräftigen Tentakel ein Stück seitwärts, bis es jenen Steinquader erreichte, auf dem die Gebeine des letzten Ouroungour-Königs lagen. Die Flammen wurden noch schwächer. Ein saugendes Geräusch war zu hören, so als würde der Feuerbringer den Flammen einen Teil jener magischen Kraft entziehen, durch die sie gespeist wurden. Zwischen den Flammen entstanden erstmals Lücken, sodass Keandir wieder sehen konnte, was sich im Rest der Königshalle zutrug.
Die Schmerzenslaute des Feuerbringers verstummten, und er blähte seinen amorphen Körper zu dreifacher Größe aus, fuhr ein Dutzend Tentakel aus und richtete sie auf den König der Elben. Wieder schossen grellweiße Feuerstrahlen aus diesen wie aus purer Finsternis bestehenden Schattenarmen. Doch Keandirs Schwert schien die magischen Strahlen auf geheimnisvolle Weise anzuziehen. Die Bruchstelle, an der die geborstene Klinge wieder vereint worden war, leuchtete plötzlich grell auf. Die Strahlen des Feuerbringers konzentrierten sich auf diese Stelle, und Keandir spürte erneut den Strom unheimlicher Kraft in sich hineinströmen. Eine Kraft, von der ihm durchaus klar war, dass sie ihn gerade an den Rand des Todes gebracht hatte.
Das Kribbeln verwandelte sich wieder in einen furchtbaren Schmerz. Aber diesmal war Keandir darauf vorbereitet und murmelte rechtzeitig einen Abwehrzauber, der allerdings nur sehr geringe Wirkung zeigte. Wichtiger war die geistige Disziplin, die er der chaotischen Macht des Schmerzes entgegensetzte. Keandirs Vater Eandorn hatte darauf bestanden, dass er bereits im Kindesalter mit meditativen Übungen begonnen hatte und bei einem Seelenmeister in die Lehre gegangen war. »Ein zukünftiger König«, so hatte Eandorns Credo gelautet, »muss absoluter Herr seiner Selbst sein, bevor er daran denken kann, Herrschaft zum Wohle aller auszuüben.« Und so hatte Keandir in vielen täglichen und zum Teil stundenlangen Übungen bei dem uralten Seelenmeister Maéndir gelernt, den eigenen Geist gegen Schmerz und andere beeinträchtigende Einflüsse abzuschirmen.
Vielleicht war dies der entscheidende Vorteil, der ihn den Kampf mit dem Furchtbringer überleben lassen würde, überlegte Keandir. Und das, obwohl Meister Maéndir schließlich, wie so viele andere Elben auch, vom Lebensüberdruss dahingerafft worden war, indem er sich eines Tages eine betäubende Dosis seiner Essenzen eingeflösst hatte, die eigentlich der Unterstützung der Übungen dienen sollten, und sich dann des Nachts ins Meer gestürzt hatte. Die Tatsache, dass ausgerechnet ein Seelenmeister wie Maéndir auf diese Weise seiner Existenz ein Ende gesetzt hatte, war für den jungen Keandir außerordentlich schockierend gewesen, hatte ihm aber andrerseits auch vor Augen geführt, dass es offensichtlich niemanden unter den Elben gab, der gegen diese Krankheit gefeit war.
Keandir murmelte eine Formel vor sich hin, die seinen Geist abschirmen sollte, sodass er sich der Übungen entsinnen konnte, die er einst regelmäßig hatte
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