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Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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ersten Moment war es so schrecklich, dass es mich taumeln ließ.«
    Er hob eine Augenbraue, und in seine Miene schlich sich in Ausdruck, den sie nicht zu deuten wusste. »Wovon redest du?«
    »Von dem schwarzen Schatten, der über deine weiße Seele fiel, Kean. Von einem Schatten, schwärzer als die dunkelste Nacht, erfüllt vom purem Bösen.«
    Er schüttelte den Kopf, eine Geste, in der ein gewisser Unwillen lag. »Das muss ein Albtraum gewesen sein, der Euch da heimsuchte, meine Königin.«
    »Ja, vielleicht«, erwiderte sie mit einem flüchtigen Lächeln. Ruwen hatte sehr wohl registriert, dass ihr Gemahl in die Höflichkeitsformen gewechselt hatte. Ein Zeichen dafür, dass der private Teil ihres Gesprächs vorbei war.
    Er wollte nicht darüber reden, erkannte Ruwen. Und vielleicht übertrieb sie ja auch und machte sich unnötig Sorgen. Ihrer beider Blicke fanden sich, und im nächsten Augenblick war Ruwen einfach nur noch froh, dass Keandir gesund zurückgekehrt war.
    »Ich werde Euch von allem berichten, was ich erlebt habe«, versicherte ihr der Elbenkönig. »Doch jetzt steht mir die Erledigung einiger Pflichten bevor. Manche sind unangenehm, andere das genaue Gegenteil.«
    »Ihr sprecht in Rätseln, Keandir.«
    »So seht einfach, was geschieht, geliebte Königin.«
    »Wie Ihr meint«, sagte Ruwen, wandte den Kopf – und erschrak.
    Denn auf der Barkasse, die gerade die »Tharnawn« erreicht hatte, hatte sich Thamandor der Waffenmeister befunden. Er war bereits an Bord des Flaggschiffs der Elben geklettert und ließ sich soeben von Siranodir die Zauberstäbe des Augenlosen Sehers über die Reling reichen. Ruwen erkannte sie sofort wieder. Genau diese Stäbe hatte sie in ihrem Traum gesehen.
    »Warum erbleicht Ihr?«, fragte Keandir seine Gemahlin.
    Sie nickte in Richtung der Stäbe. »Was … was sind das für Gegenstände, Kean?«
    »Es sind zwei magische Artefakte, die aber wahrscheinlich ihre Zauberkraft verloren haben. Ihr kennt ja Thamandor. Er hofft, diese Kraft wieder wecken und für irgendeine seiner Mechanismen nutzen zu können.«
    Ruwen wollte dem König im ersten Moment von dem Traum erzählen, den sie gehabt hatte. Aber dann zögerte sie.
    »Was habt Ihr, Ruwen?«, fragte er sie.
    Sie starrte auf die Zauberstäbe, dann schüttelte sie den Kopf. »Es … es ist nichts, mein König. Gar nichts.«
    Sie schmiegte sich wieder in seine Arme und wollte diesen Augenblick des Glücks nicht durch die Schilderung eines Albtraums zerstören. Außerdem wusste sie nicht, was dieser Traum zu bedeuten hatte. Sie war sich sicher, genau diese Stäbe gesehen zu haben, mit dem sich die beiden Elben gekämpft hatten, und das verwirrte sie zutiefst …

    Es war nicht nötig, die Mitglieder des Kronrates eigens herbeizurufen. Sie waren natürlich alle sofort an Deck erschienen, nachdem sie von der Rückkehr des Königs gehört hatten; das war auch unter Deck einfach nicht zu überhören gewesen. Kaum ein Ereignis hatte in der jüngeren Geschichte des Elbenvolks je einen so großen Jubel ausgelöst.
    Keandir trat zunächst Fürst Bolandor entgegen und sagte: »Euer Sohn ist nicht mit uns zurückgekehrt, Fürst.«
    Fürst Bolandor wirkte sehr gefasst. Niemand hätte in diesen Momenten sagen können, was hinter seinem maskenhaften Gesichtsausdruck vor sich ging, welche Gedanken ihn bewegten oder wie tief die Trauer um dieses Kind seiner späten Jahre saß, von dem viele glaubten, der Fürst habe es besonders geliebt. »Prinz Sandrilas überbrachte mir bereits die schreckliche Kunde von Hyrandils Schicksal«, sagte er mit leiser, fast tonloser Stimme. Sie war das einzige Merkmal, dass der Tod seines Sohnes irgendeine Regung in Fürst Bolandor ausgelöst hatte.
    »Ich hätte ihm gern geholfen«, sagte Keandir, und er stellte auf einmal fest, dass es ihm sehr schwer fiel zu sprechen. Es war, als ob ein dicker Kloß in seinem Hals steckte und ihn daran hindern wollte, die Worte hervorzubringen.
    »Mit den Jahrtausenden stumpft die Empfindung ab«, sagte Fürst Bolandor. »Alles erscheint wie die unvollkommene Wiederholung eines Schauspiels, dessen Text man bereits gelesen hat. Ein verhältnismäßig junger Seegeborener, wie Ihr es seid, vermag das vielleicht nur zu erahnen, wenn ein Schub von Lebensüberdruss ihn gerade heimsucht. Aber der Schmerz, den ich empfand, als ich spürte, dass mein geliebter Sohn Hyrandil nach Eldrana einging, ins Reich der Jenseitigen Verklärung, war schrecklicher alles andere, was ich in meinem

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