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Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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des aus dem Fels gehauenen doppelgesichtigen Affenkopfes, und zum ersten Mal bekam Keandir die grüne Küste jenseits des Meeres, über dem keine einzige Nebelschwade lag, mit eigenen Augen zu sehen. Es war wie ein Déjà-vu; die Küste sah exakt so aus wie in seiner Vision.
    Auch an der Ostseite des Affenkopfes gab es einen Abstieg, wenn der auch sehr schmal und teilweise noch schlechter erhalten war als der auf der Westseite. Aber der Abstieg war möglich.
    Lirandil führte wie üblich den Trupp an. Und während sie die schmalen, in Äonen abgeschliffenen und brüchig gewordenen Treppenaufgänge hinabstiegen oder auf staubigen Felsplateaus für kurze Zeit rasteten, sahen die Elben immer wieder sehnsuchtsvoll hinüber zu dem grünen Band am Horizont, der Küste des Zwischenlands.
    Unsere Küste, dachte Keandir. Auch wenn es noch keine offizielle Entscheidung gab – der König der Elben war sich sicher, dass es so kommen würde. Wer hätte der Verheißung dieses Anblicks schon widerstehen können? Und jeder der Elben, die diesem Trupp angehörten, hatte Frauen, Freunde, Verwandte, an denen er die Faszination weitergeben würde. Allein deshalb schon machte sich König Keandir wenig Sorgen darüber, dass eventuell eine Mehrheit seines Volkes nicht bereit sein könnte, ihm zu folgen.
    Keandir fühlte ein Maß an Stärke und Entschlossenheit wie noch nie zuvor in seinem Leben. Es schien nichts zu geben, was ihn noch aufzuhalten vermochte.

14. Kapitel
    Aufbruch ins Zwischenland

    Es war gegen Mittag des folgenden Tages, als Keandir und sein Trupp jene Bucht erreichten, in der die Elbenflotte vor Anker lag. Eine am Ufer zurückgelassene Gruppe von Elbenkriegern begrüßte die Rückkehrer, die sich bereits durch Hornsignale angekündigt hatten. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich unter den Elben die Nachricht von der Rückkehr des Königs. Hornsignale erfüllten den Nebel vor der Küste jener Insel, die man in späterer Zeit »Naranduin« nennen sollte.
    Mit mehreren Barkassen wurden die Rückkehrer an Bord des königlichen Flaggschiffs gebracht. Königin Ruwen stand an der Reling und winkte ihrem Gemahl zu, dessen Ankunft sie mit ihren feinen Sinnen schon lange zuvor erahnt hatte. Der Kronrat hatte sich inzwischen vollständig auf der »Tharnawn« versammelt, sodass über den weiteren Weg der Elbenflotte entschieden werden konnte.
    Keandir war froh, endlich wieder die Planken seines Schiffs unter den Füßen zu haben. Ruwen kam auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. »Kean!«, rief sie. Soweit sich Keandir erinnern konnte, war dies das erste Mal, dass sie diesen Kosenamen mit einer derartigen Vehemenz ausrief. Normalerweise reservierte sie ihn auch für Momente größerer Intimität und Innigkeit. Für jene seltenen Augenblicke, wenn ihnen niemand zuhörte, der nicht gerade seine Sinne in besonderer Weise auf sie beide fokussierte – was Elben höflicherweise vermieden.
    König Keandir schloss seine Gemahlin zärtlich in die Arme. Als er sich dann, viele Herzschläge später, von ihr lösen wollte, berührte er mit der Hand zufällig ihren Bauch. Er verharrte, schaute in Ruwens große Augen und flüsterte so leise, dass es außer seiner Gemahlin niemand mitbekam: »Andir und Magolas …«
    »Die Namen unserer Söhne …«
    »Es muss ein Zeichen des Schicksals sein, dass ausgerechnet jetzt das Wunder einer Zwillingsgeburt bevorsteht.«
    Sie nickte, dann forderte sie: »Berichte mir von dem, was du erlebt hast, Kean. Ich war so in Sorge um dich, und das, was meine Sinne hier und da aufschnappten, ließ mich schon das Schlimmste befürchten.«
    »Mehr als einmal war ich in den vergangenen zwei Tagen dem Tode näher als dem Leben.«
    »Das habe ich gefühlt, Kean.«
    »Ich weiß.«
    »Ich war in jedem dieser Momente innerlich bei dir.«
    »Auch das ist mir bewusst, Geliebte.«
    »Nur einmal hatte ich dich verloren, Kean. Für kurzer Zeit zwar, aber dafür schien es endgültig zu sein.«
    »Deine Sinne müssen dich ausnahmsweise getrogen haben, geliebte Ruwen.«
    »Ich habe die Namenlosen Götter angefleht wie ein Kind, dass es so sein möge.«
    »Und du siehst, dass sie dich erhört haben.«
    Sie sah ihn sehr ernst an, während der König ihr eine Strähne aus dem Gesicht strich, die sich aus der kunstvollen Frisur, zu der ihre Haare aufgetürmt waren, herausgestohlen hatte. »Nein, die Namenlosen Götter Eldranas haben mich nicht erhört«, sagte sie mit Bestimmtheit. »Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen, und im

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