Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
geraten.
»Ich sehe schon, du glaubst mir nicht«, seufzte Larisal. Thalinuel antwortete erst gar nicht darauf. »Und ich kann dir keine Beweise vorlegen, außer den Aussagen einiger Beteiligter, die morgen vor dem Tribunal gehört werden sollen. Vielleicht wollte Molakan unser Volk anfangs tatsächlich nur schützen, weil er fürchtete, was aus den jüngeren Völkern werden könnte, wenn wir sie sich selbst überließen. Aber er hat sich auf einen verhängnisvollen Weg begeben. Es ist nicht die Art unseres Volkes, andere zu beherrschen und zu unterdrücken, und doch beherrschen Elben mittlerweile fast die Hälfte der bekannten Welt. Gibt dir das nicht zu denken?«
»Es ist nur für eine Übergangszeit. Nach und nach werden die Völker ihre Freiheit zurückerhalten, aber so, dass sie sich nicht wieder gegen uns wenden können.«
»Diese Behauptung habe ich oft gehört in letzter Zeit, und sie wird auch morgen sicherlich wieder vorgetragen werden. Möglicherweise glaubst du sogar wirklich daran. Aber in Wahrheit hat Molakan angefangen, den verhängnisvollen Traum von Macht zu träumen. Er hat sich ein gewaltiges Reich geschaffen, das er unter allen möglichen Vorwänden ständig zu vergrößern trachtet. Er bezeichnet sich nicht öffentlich als Herrscher, aber er ist es, ohne dessen Befehl nichts geschieht.«
»Warum erzählt Ihr mir … das alles?«, fragte Thalinuel. Sie hatte eigentlich fragen wollen, warum sie ihr all diese Lügen erzählte, ihre Wortwahl aber im letzten Moment noch geändert. Ein immer größerer Grimm ergriff Besitz von ihr. Die Königin schien sie für sehr einfältig zu halten, wenn sie glaubte, sie mit einem solchen Gespinst unglaublicher Unterstellungen auf ihre Seite ziehen zu können.
»Du giltst als eine vielversprechende junge Kriegerin, vielleicht eine der besten, und kannst es einmal weit bringen, wenn du dich nicht vom richtigen Weg abwendest. Auch Molakan scheint in dir ein großes Potential zu sehen, jedenfalls hat er dich zu nahezu all seinen wichtigen Kampf- und Eroberungsmissionen in der letzten Zeit eingeteilt. Ich glaube nicht, dass der morgige Tag unsere Probleme lösen, sondern dass er neue, vielleicht noch schwierigere schaffen wird. Lass dich nicht von Molakan und seinen Anhängern mit ins Verderben reißen. Dies ist deine letzte Chance, dich von allen Verfehlungen, die du bereits begangen hast, reinzuwaschen. Kehre auf die Seite deines Königs zurück. Je nachdem, wie das morgige Tribunal verläuft, werde ich dir dann sagen, was du für uns tun kannst. Ich würde es bedauern, wenn du die falsche Entscheidung triffst, aber sei versichert, du bist nicht die Einzige, mit der ich ein solches Gespräch führe, und bei anderen bin ich bereits auf offenere Ohren gestoßen.«
Die Drohung in ihren Worten war unmissverständlich. Thalinuel sprang auf.
»Ich habe mich niemals gegen meinen König gewendet, sondern stets nur Schaden von unserem Volk abwenden wollen«, stieß sie heftig hervor. »Aber inzwischen zweifle ich daran, ob auch er dieser Aufgabe noch gerecht wird. Auf keinen Fall werde ich das Vertrauen derer, die sich wirklich um die Sicherheit unseres Volkes sorgen, missbrauchen und für Euch spionieren.«
»Nun, wie du meinst.« Auch die Königin erhob sich. »Dann gibt es wohl nichts mehr zu sagen. Bringt sie zurück in ihre Zelle!«
Das bereits für den nächsten Tag anberaumte Tribunal fand auf dem großen, freien Platz zwischen dem Königspalast und dem Haus der Türme statt, den beiden Machtzentren und zugleich prächtigsten Gebäuden Saltinans. Jahrtausendelang hatte ein enges, freundschaftliches Verhältnis zwischen beiden Häusern geherrscht, gemeinsam waren von hier aus die Geschicke der Stadt und des elbischen Volkes gelenkt worden.
Und nun war ausgerechnet der Hüter der Türme des Verrats und der Verschwörung gegen den König angeklagt.
Es war ein ungeheuerliches, in der Geschichte der Elben noch nie dagewesenes Ereignis, dessen wahre Tragweite viele noch nicht einmal zu ermessen vermochten. Als sie zusammen mit den anderen Gefangenen auf den Platz geführt wurde und fühlte, unter welcher Spannung die zahlreichen Elben standen, die als Beobachter erschienen waren, begann Thalinuel zum ersten Mal zu ahnen, dass in Saltinan nach diesem Tag tatsächlich nichts mehr wie vorher sein würde. Und vielleicht noch weit über die Grenzen Saltinans hinaus.
In der Mitte des Platzes war das Tribunal aufgebaut worden. Es gab einen auf einem Podest erhöht
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