Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
stehenden Tisch, an dem der König und die beiden Richter Platz nehmen würden. Da es sich um ein Kriegstribunal handelte, würde es sich zweifellos um Krieger handeln, deren Loyalität bedingungslos dem König galt.
Davor gab es ein von Gardisten schwer bewachtes Areal, auf dem Holzbänke standen, zu denen Thalinuel und die anderen Angeklagten geführt wurden. Es waren weit über hundert, nicht nur Kriegerinnen und Krieger, sondern auch viele von Molakans Vertrauten aus dem Haus der Türme. Olvarian und die anderen geflohenen Krieger befanden sich nicht unter ihnen. Offenbar war es ihnen gelungen, ihren Verfolgern zu entkommen.
Einzig für Molakan als Hauptangeklagten gab es vor den Bänken einen einzelnen Stuhl. Statt seiner würdevollen Gewänder trug er schlichte Kleidung, und auch das Stirnband als Insignie seines Amtes hatte er ablegen müssen, nachdem man ihm seinen Status entzogen hatte. Dennoch wirkte er auch jetzt stark und unbeugsam, als er auf dem Stuhl Platz nahm.
Seitlich des Richtertisches und der Bänke für die Angeklagten war eine Art Empore errichtet worden, auf der die Königin und andere besonders hochgestellte Persönlichkeiten saßen.
Darüber hinaus waren zahlreiche Zuschauer erschienen. Niemand wollte sich dieses Tribunal entgehen lassen, und obwohl die Elben dicht gedrängt standen, reichte selbst der große Platz nicht für sie alle aus, sodass sie sich bis in die Seitenstraßen drängelten. Hoch- und Schmährufe gleichermaßen erklangen aus der Menge.
Schließlich erschollen silberne Trompeten und kündigten die Ankunft des Königs an. Begleitet von den beiden Richtern trat Lotharon auf das Podest und nahm auf dem mittleren der drei Stühle Platz, während sich die beiden Krieger rechts und links von ihm setzten.
Bei ihrem Anblick konnte Thalinuel nur mit Mühe ein Stöhnen unterdrücken. Sie hatte schon vorher nichts anderes erwartet, als dass Lotharon Vertraute auswählen würde, aber dass es ausgerechnet Ophil und Soloran sein würden, damit hatte sie nicht gerechnet. Beide waren selbst nach elbischen Maßstäben bereits alt und dem Königshaus in unverbrüchlicher Treue verbunden, und beide hatten in den vergangenen Wochen immer wieder bekundet, dass sie das gewaltsame Vorgehen gegen die Menschen aufs Schärfste verurteilten.
Nun erhielten sie Gelegenheit, auch im wahrsten Sinne des Wortes ein Urteil darüber zu sprechen. Wie hatte einer der festgenommenen Elben am Vortag gesagt? Dies alles wäre eine riesige Farce. Nun bewahrheitete sich dies. Das ganze Tribunal war nicht mehr als ein Spektakel, um die Form zu wahren; wie immer das Urteil lauten mochte, es war bereits gefällt und könnte ebenso gut direkt verkündet werden.
»Molakan, ehemaliger Hüter der Türme von Saltinan, Ihr seid angeklagt des Verrats, der Anstiftung zur Verschwörung und zum Aufruhr gegen den König, indem Ihr das Volk wiederholt zum Widerstand gegen seine Entschlüsse aufgerufen und Bündnisse mit mehreren anderen Städten geschmiedet habt, damit sie seine Weisungen umgehen«, begann Lotharon. »Darüber hinaus klagen wir Euch an, die Befugnisse Eures Amtes weit überschritten zu haben, indem Ihr zur Schaffung eines neuen Reiches unter Eurer Kontrolle einen Angriffskrieg gegen andere Völker begonnen habt, der unserem Ansehen extrem geschadet und unser Volk in große Gefahr gebracht hat. Mit Euch sind zahlreiche Mitverschwörer angeklagt, die Euch bei Eurem Tun unterstützt und dabei sogar gegen direkte Befehle des Königs verstoßen haben. Weitere Mitverschwörer in anderen Städten werden sich in nächster Zeit gleichfalls vor Tribunalen zu verantworten haben. Bekennt Ihr Euch dieser Verbrechen für schuldig?«
»Ich müsste es wohl tun, wenn es sich tatsächlich um Verbrechen handeln würde«, antwortete Molakan mit über den ganzen Platz hallender Stimme. »Aber das ist nur Eure Auslegung. Wir haben uns stets als ein sehr freiheitsliebendes Volk gesehen, doch versucht Ihr nun, die Nutzung dieser freiheitlichen Rechte als Verbrechen darzustellen. Es steht nirgendwo geschrieben, dass es verboten ist, Kritik an den Entscheidungen des Königs, des Hüters der Türme oder irgendeines anderen Würdenträgers zu äußern. Aber es scheint, als ob Ihr anderen Völkern, die uns und unseren König verhöhnen und beleidigen, mehr Freiheiten zuzugestehen bereit seid, als Angehörigen Eures eigenen Volkes. Dabei war es schon immer unsere Tradition, offene Aussprachen über alles führen zu können, ohne
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