Elbengift: Die Zwerge Von Elan-Dhor 1
Wasser?«
Erschrocken blickte Thalinuel auf, als sie unvermittelt angesprochen wurde. Seit sie den Turm wieder verlassen hatte, schlenderte sie ziellos durch Saltinan, ohne auf ihre Umgebung zu achten. Was sie über die Lage in Riell gehört hatte, machte sie zwar zornig, hatte ihr aber zumindest ihre Sorgen um Verilon genommen. Das änderte jedoch nichts daran, dass sie ihn vermisste und ihn gerade jetzt gerne in ihrer Nähe gehabt hätte.
In den letzten Wochen war so viel auf sie eingestürmt wie vorher in vielen Jahren nicht. Ihre Krankheit hatte ihr die Gelegenheit verschafft, viel zu grübeln und ihre Gedanken zu ordnen. Kaum aus dem Haus der Genesung entlassen, wurde sie nun schon wieder mit neuen Konflikten und Herausforderungen konfrontiert.
Molakan hatte seine Worte sehr sorgfältig gewählt, aber Thalinuel hatte sich zu Herzen genommen, was Verilon vor dem Angriff auf die Tzuul zu ihr gesagt hatte. Sie vertraute nicht mehr nur dem vordergründigen Schein, mochte dieser auch noch so verlockend sein, sondern hatte sich angewöhnt, alles zu hinterfragen, um auch die tiefere Bedeutung von Worten und die Folgen von Taten zu erkennen, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich waren.
Insofern durchschaute sie mühelos, dass Molakan auch jetzt Absichten verfolgte, die er nicht offen ausgesprochen hatte. Seine Patrouillen dienten nicht nur dazu, eventuelle Gefahren frühzeitig zu erkennen. Selbst die fanatischsten Führer der Menschen würden sich hüten, offen gegen Saltinan vorzugehen. Was immer sie an Streitkräften aufstellen und gegen die Stadt ins Feld führen könnten, wäre nicht mehr als Fallobst unter den Schwertern der Elbenkrieger.
Nein, der Hüter der Türme war nicht um die Sicherheit Saltinans besorgt. Die Patrouillen dienten allein dazu, Informationen zu sammeln und feindselige Aktionen aufzudecken, von denen sonst vielleicht niemand erfahren würde – oder höchstens König Lotharon, dem daran gelegen war, sie geheim zu halten. Molakan hingegen würde dafür sorgen, dass das ganze Volk davon erfuhr, in der Hoffnung, den König so zum Handeln zu zwingen.
Damit konnte Thalinuel leben, wenn Lotharon anders nicht dazu zu bewegen war, endlich etwas zu unternehmen. Es gefiel ihr nicht, den König in dieser Form unter Druck zu setzen, aber das Sammeln von Informationen im Zusammenhang mit Übergriffen anderer Völker verstieß nicht gegen ihren Treueeid. Im Gegenteil. Lotharons Art von Heimlichtuerei widersprach elbischen Traditionen. Ihrer Meinung nach hatte das Volk ein Recht darauf zu erfahren, was draußen im Land vorging, und sie sah nichts Verwerfliches darin, diese Informationen zu beschaffen.
Trotzdem blieb bei dem Gedanken daran ein ungutes Gefühl in ihr zurück …
Die unbekannte Stimme riss sie aus ihren Grübeleien. Als Thalinuel aufblickte, war ein ihr fremder Krieger zu ihr getreten und ging neben ihr her, in einer Haltung und mit einem Gesichtsausdruck, als wäre er ein alter Bekannter, der sich freute, sie wiederzutreffen.
»Ja, ich bin Thalinuel«, beantwortete sie verwundert seine Frage.
»Ich habe den Auftrag, dich zu jemandem zu bringen, der dich sprechen möchte.«
»Ach ja? Und wer soll das sein?«
»Die betreffende Person wünscht nicht, dass ihr Name genannt wird. Bitte folge mir.«
Das war keine Bitte, sondern ein Befehl, begriff Thalinuel. Als sie sich umdrehte, ging kaum zwei Schritte hinter ihr ein weiterer Krieger und versuchte so bemüht zwanglos auszusehen, als wäre er nur zufällig hier, dass es fast schon komisch wirkte.
Aber diese Wirkung hatte der Anblick auf Thalinuel ganz und gar nicht. Es begann bereits zu dämmern, und außer den beiden Kriegern hielten sich nur wenige Elben in ihrer Nähe auf. Für einen kurzen Moment loderte Angst in ihr hoch, aber dann begriff sie, wie albern das war. Sie befand sich mitten in Saltinan. Niemand würde ihr etwas antun. Offenbar legte wirklich jemand einfach nur großen Wert darauf, sie unverzüglich zu sprechen. Eine offenkundig einflussreiche, hochgestellte Persönlichkeit, wenn sie Krieger ausschicken konnte, um Thalinuel zu sich zu holen.
Thalinuel fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte. In was war sie da bloß hineingeraten? Was wollte man von ihr?
Ohne Widerspruch ließ sie sich von dem Krieger führen, während der zweite ein Stück hinter ihnen ging, immer noch erfolglos darum bemüht, den Eindruck zu vermitteln, dass er nicht zu ihnen gehörte.
Schließlich erreichten sie einen alten, nur
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