Elbenkinder - Die ganze Saga (1-7)

sich genau über dem Gebirge in der Mitte der Insel befanden.
    „Und nun herunter mit dir!“, gab Daron einen Gedankenbefehl an Rarax. Seine Augen waren schwarz dabei, denn er sammelte gleichzeitig all seine magischen Kräfte, um den Widerstand zu brechen, dem sie vielleicht trotz allem begegnen würden. Sarwen tat dasselbe. Auch ihre Augen waren nun vollkommen von Finsternis erfüllt.
    Rarax senkte den Kopf und stürzte in die Tiefe – einem Greifvogel gleich, der sich aus großer Höhe auf seine Beute warf.
    Wind blies ihnen plötzlich von unten entgegen, der so heftig wurde, dass er den Fall des Riesenfledertiers deutlich abbremste. Aber er war nicht stark genug, um Rarax und die beiden Elbenkinder aufzuhalten. Das Riesenfledertier brüllte laut auf, und Daron hatte den Eindruck, dass es die Magie ebenfalls zu spüren vermochte.
    Der Wind raubte Daron und Sarwen den Atem und blies in ihre Gesichter, und obwohl Elben recht unempfindlich gegenüber Kälte waren, kam es ihnen vor, als würden spitze Nadeln in ihre Haut stechen. Tränen traten ihnen in die nachtschwarzen Augen.
    Schließlich aber landete Rarax wohlbehalten und sogar überraschend sanft in einem Tal, das zwischen zwei felsigen Gebirgszügen lag.
    Am Ende dieses Tals befand sich ein gewaltiger Berg, dessen Gipfel die Form eines Affenkopfs hatte.
    Daron und Sarwen hatten viele Erzählungen über diesen Ort gehört. So auch die Geschichte vom Kampf der Elben gegen den Riesenvogel Ráabor, der in diesem Tal gelebt und die geflügelten Affen gejagt hatte. Waffenmeister Thamandor war es gewesen, der den Riesenvogel mit den vergifteten Bolzen seiner Einhandarmbrüste erlegt hatte – und davon erzählte er mindestens jedes dritte oder vierte Mal, wenn er zu Gast im Palas von Burg Elbenhaven war.
    Allerdings hatte sich dieser Kampf ja vor vielen Zeitaltern beim ersten Besuch der Elben auf Naranduin ereignet – und Daron glaubte insgeheim, dass Thamandor die Geschichte im Laufe der Zeit vielleicht doch hier und da etwas ausgeschmückt hatte.
    In der Nähe des Affenkopf-Felsens waren ein paar riesige Knochen in den Boden gerammt worden. Möglicherweise stammten sie von dem Riesenvogel, unter dem die Äfflinge so lange gelitten hatten, weil er in ihnen eine schmackhafte Beute gesehen hatte.
    „Hoffentlich!“, antwortete Sarwen auf den entsprechenden Gedanken ihres Bruders, den sie unwillkürlich aufgeschnappt hatte. „Denn wenn das nicht Ráabors Knochen sind, würde das bedeuten, dass es hier noch irgendwelche anderen Ungeheuer dieser Größe gibt!“
    „Oder vor langer Zeit gegeben hat!“, gab Daron zurück. „Also kein Grund zur Panik. Meines Wissens gab es damals auch nur einen dieser Riesenvögel.“
    Sie stiegen von Rarax’ Rücken und sahen sich um.
    Die Felsen der Umgebung waren ausgehöhlt, der Affenkopf ebenso wie die Felsmassive, die zu beiden Seiten des Tals aufragten. Das Gestein war so durchlöchert wie manche Käsearten, die von den Menschen hergestellt wurden. Das alles waren künstliche Gänge und Räume.
    Eine ganze Höhlenstadt erstreckte sich unter dem Fels. Die Vorfahren der Äfflinge mussten sie einst in den Berg gehauen und dem Affenkopf-Felsen seine Form gegeben haben. Offenbar hatten sie einst eine blühende Kultur gehabt und waren später wieder zu wilden Tieren geworden, die fast alle ihre Fähigkeiten verloren hatten.
    Hunderte von Äfflingen kamen aus den Felshöhlen hervor. Viele von ihnen trugen Dreizacke oder Speere. Aber es waren auch Mütter mit ihren Kindern darunter. Die kleinen Äfflinge krallten sich im Fell ihrer Mütter fest, und ihre Flügel auf dem Rücken zusammengefalteten Flügel zitterten vor Aufregung.
    „Vielleicht erinnert Rarax die Äfflinge an den Riesenvogel“, sagte Sarwen laut, „und sie haben deswegen etwas Respekt vor uns.“
    „Aber Ráabor wurde doch schon so vielen Zeitaltern getötet. Niemand von diesen Äfflingen hat damals schon gelebt.“
    „Sie könnten die Geschichten darüber von Generation zu Generation weitererzählt haben.“
    „Hört sich das Gekreische dieser Wesen wie eine Sprache an?“
    „Vielleicht verstehen wir sie nur nicht“, vermutete Sarwen.
    Daron aber schüttelte den Kopf. „Als diese Wesen versucht haben, uns zu entführen, sah mir das nicht danach aus, als hätten sie besonders viel Angst vor Rarax.“
    „Die Äfflinge, die über das Meer geflogen sind, waren magisch beeinflusst, Daron.“
    „Und diese nicht?“
    „Ich spüre nichts. Du etwa?“
    Daron