Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
hatten.
    Lancelot spürte schon von weitem, dass etwas geschehen
war. Die Stadt hatte sich verändert. Die Marktkarren waren verschwunden, die bunten Fahnen und Wimpel flatterten nicht mehr über Zinnen und Hausdächern und alle
Spuren des katastrophal geendeten Festes waren so gründlich beseitigt worden, als schämten sich die Bewohner der
Stadt dafür, und an ihre Stelle hatte sich eine niedergeschlagene, fast ängstliche Stimmung über Camelots Straßen und Häuser gesenkt.
    Das westliche Tor, durch das sie die Stadt betraten, stand
weit offen und die Posten begrüßten sie mit erfreuten Gesichtern und erleichterten Ausrufen, aber Lancelot fiel
auch auf, dass die Anzahl der Wächter verdoppelt worden
war und dass auf den Zinnen des äußeren Verteidigungsringes nun sehr viel mehr Männer patrouillierten als sonst.
Auch der zweite der insgesamt fünf hintereinander gestaffelten Kreise aus Häusern und Mauerstücken, die die Verteidigung Camelots bildeten, war nun mit Soldaten besetzt. Camelot war die größte Stadt in diesem Teil des
Landes, vielleicht in ganz Britannien, und selbst ein überlegener Gegner konnte es unmöglich schaffen, den äußeren Verteidigungsring so schnell zu überwinden, dass Artus keine Zeit blieb, die dahinter liegenden zu schließen
und zu bemannen. Neben allem anderen war Artus auch
ein Mann, der seine Mittel klug einsetzte, statt Männer
und Geld an einer Stelle zu verschwenden, wo sie völlig
nutzlos waren.
    Weder Braiden noch Parzifal machten eine entsprechende Bemerkung, aber Lancelot war klar, dass auch sie
alarmiert sein mussten, und so war es nicht weiter verwunderlich, dass sich ihr Tempo immer weiter steigerte
und sie das letzte Stück zur Burg im Zentrum der Stadt
hinauf fast im Galopp zurücklegten.
    Auch die Tore der Burg standen offen, die Anzahl der
Wächter war verdoppelt worden und über den Zinnen
brannten zahlreiche Fackeln und kleine Feuer. Im letzten
Licht der untergehenden Sonne gewahrte Lancelot die
Silhouetten von gleich vier Wächtern, die auf der großen
Plattform oben auf dem Bergfried standen und das Land in
alle Himmelsrichtungen beobachteten. Als sie auf den Hof
sprengten, flogen einige Türen auf und erschrockene Gesichter wandten sich in ihre Richtung.
    Einer der Männer hinter den Zinnen griff nach seinem
Bogen und hatte ihn schon halb von der Schulter, bevor er
die Neuankömmlinge endlich erkannte und die Hand wieder zurückzog. Was um alles in der Welt war hier geschehen?
    Lancelot schwang sich aus dem Sattel, kaum dass das
Einhorn zum Stehen gekommen war, und überließ es einem der Stallburschen, das Tier wegzuführen. Irgendetwas
stimmte hier nicht, das spürte er. Plötzlich hatte er Angst.
Er wusste nicht, wovor, aber das Gefühl schien mit jedem
Herzschlag stärker zu werden. Er wandte sich der Freitreppe zum Palas zu und erwartete, Artus oder wenigstens
einen seiner Ritter unter der großen Tür auftauchen zu
sehen, aber das Tor aus massivem Eichenholz blieb geschlossen. Lancelot machte zwei Schritte, dann blieb er
stehen und drehte sich um.
    Braiden und Parzifal waren ebenfalls abgesessen und
machten Anstalten, in Richtung Treppe zu gehen, verhielten nun aber beide im Schritt und sahen ihn fragend an.
Dann ging Parzifal einfach weiter und Braiden lächelte
knapp, aber sehr warm. Zumindest ihm musste klar sein,
dass Lancelots erste und größte Sorge Gwinneth galt.
    Seltsam, dachte Lancelot. Als er von ihr weggegangen
war, hatte er es in dem Bewusstsein getan, vielleicht niemals zurückzukommen. Er hatte alles in seiner Macht Stehende getan, damit niemand hier ahnte, welche Gefühle er
Gwinneth wirklich entgegenbrachte, und nun, als er Braidens Gedanken erriet, war alles, was er spürte, ein Gefühl
tiefer Dankbarkeit.
    Er ging los, erreichte fast im Laufschritt die Tür zum
Bergfried und stieß sie so wuchtig auf, dass sie innen gegen die Wand prallte und der dumpfe Knall durch den
gesamten, riesigen Turm zu hören sein musste. Auch hinter dieser Tür stand ein bewaffneter Posten, der seine Aufgabe aber offensichtlich nicht allzu ernst genommen hatte.
Der Mann lehnte in jener Haltung, die nur Soldaten beherrschen, die zu viele Stunden, Tage und Wochen ihres
Lebens auf sinnlosen Wachen verbracht hatten, auf seinen
Speer gestützt da und hatte offensichtlich im Stehen geschlafen. Nun schrak er so heftig zusammen, dass er fast
das Gleichgewicht verloren hätte, und blinzelte Lancelot
verständnislos an.

Weitere Kostenlose Bücher