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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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untersten Treppenstufe stehen blieb und es ganz so aussah, als
könnten ihn selbst die berühmten zehn Pferde nicht dazu
bewegen, auch nur einen einzigen Schritt in diesen Raum
zu tun, ging der andere weiter, steckte die Fackel in eine
geschmiedete Halterung an der Wand neben der Tür und
zog die beiden schweren Riegel auf. Sie öffneten sich mit
einem schweren Klacken und der Posten schob die Tür
einen Spaltbreit auf; gerade weit genug, um deutlich zu
machen, dass sie nun geöffnet war. Dann trat er rasch zurück, wandte sich um und lief ohne ein weiteres Wort an
Lancelot vorbei zu seinem Kameraden in den Treppenschacht hinauf.
    Im Grunde nur, um es den Männern nicht noch schwerer
zu machen, sagte Lancelot: »Wartet draußen auf mich. Ich
wünsche allein mit dem Gefangenen zu sprechen.«
    Er bekam keine Antwort. Aber als er weiterging, geschah etwas Sonderbares. Es war hier unten vollkommen
still und das musste es auch sein, denn zwischen ihm und
dem Tageslicht befanden sich mindestens fünfundzwanzig
Meter massiver Fels und der uralte Stein, der ihn umgab,
schluckte zusätzlich jedes Geräusch und jedes Echo. Und
doch war ihm, als würde er ein … Wispern hören. Nicht
wirklich eine Stimme, nicht wirklich Worte, aber doch die
Ahnung von beidem, die ganz allmählich deutlicher zu
werden schien, mit jedem Schritt, den er sich der Tür näherte. Schatten huschten vor ihm über den Boden wie
kleine vielbeinige Wesen, die es irgendwie verstanden,
sich seinem Blick immer wieder zu entziehen, und er hatte
das Gefühl, dass sich unsichtbare Spinnweben auf sein
Gesicht legten. Aber als er mit den Fingern danach tastete,
war nichts da.
    Unheimlich.
Lancelot schüttelte den Gedanken ab, straffte die Schultern und legte die letzten drei Schritte in schnellerem
Tempo zurück.
Als er die flache Hand auf die Tür legte, um sie aufzuschieben, erschauerte er. Das Holz war so kalt, als hätte er
Eis berührt. Um ein Haar wäre er zurückgezuckt, aber
dann wurde ihm klar, dass ihn die beiden Männer von der
Treppe aus aufmerksam beobachteten, und so gab er sich
einen Ruck und schob die Tür mit einer entschlossenen
Bewegung ganz auf.
Die Schatten huschten hinter ihm herein und ein eisiger,
feuchter Hauch wehte ihm entgegen. Im ersten Moment
hatte er Mühe, überhaupt etwas zu sehen, denn der Raum
war stockdunkel. Aber er spürte, dass jemand da war.
Und es war nicht unbedingt ein Mensch … Unsinn!,
dachte Lancelot, ein wenig zornig auf sich selbst. Dass er
sich hier nicht wohl fühlte, war klar. Es war dunkel, es war
kalt und es stank erbärmlich. Nichts davon war irgendwie
un- oder gar übernatürlich. Er hörte, wie sich vor ihm jemand bewegte. Metall klirrte, dann ertönte ein halblautes
Stöhnen, aber sosehr er seine Augen auch anstrengte, er
sah nichts als einen vagen Schatten. Rasch entschlossen
ging er noch einmal nach draußen und nahm die Fackel
aus der Halterung. Als er die Zelle zum zweiten Mal
betrat, schien das flackernde rote Licht die Schatten vor
ihm herzutreiben.
Lancelot stöhnte innerlich auf, als er Mordred sah. Der
Gefangene hockte mit untergeschlagenen Beinen auf dem
Boden, weil ihm die Ketten, mit denen er gebunden war,
keine größere Bewegungsfreiheit erlaubten.
Und Lancelot hätte nicht einmal seinen schlimmsten
Feinden gewünscht, sie in einem solchen Zustand zu sehen.
Mordred trug noch immer dasselbe Gewand, das er während des feigen Mordanschlages auf Artus angehabt hatte.
Nur dass daran absolut nichts Prachtvolles mehr war. Es
starrte vor Schmutz und eingetrocknetem Blut und bestand
nur noch aus Fetzen. Mordreds Gesicht war bleich und
schmal geworden und sein Haar filzig.
Er schien fast bis zum Skelett abgemagert. Die Ketten
hatten seine Hand- und Fußgelenke blutig gescheuert und
er blinzelte, weil ihn das ungewohnte Licht so gut wie
blind machte.
»Wenn Ihr gekommen seid, um mich erneut zu verhören,
Artus, dann habt Ihr den Weg umsonst gemacht. Ich habe
Euch gesagt, dass ich –«
»Nur mit Lancelot reden werde«, fiel ihm Lancelot ins
Wort. »Nun, ich bin hier. Sprecht!«
Mordred presste die Lider zusammen, saß eine Weile
völlig reglos da und öffnete die Augen dann wieder.
Lancelot konnte sehen, wie sehr er sich anstrengte, um in
dem grellen Gegenlicht überhaupt irgendetwas erkennen
zu können. »Lancelot?«, murmelte er.
»Ich bin gekommen«, bestätigte Lancelot. Er senkte die
Fackel und versuchte sie so zu halten, dass er ihr Licht

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