Elbenschswert
Lancelot.
Wie gerne hätte er ihr diesen Wunsch erfüllt. Wie sehr
sprach sie das aus, was auch er wollte. Und wie unmöglich
war es. Er hätte es nicht gekonnt, selbst wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Er konnte Artus so wenig verraten, wie er Gwinneth im Stich lassen konnte.
Als sie die Kirche betraten, wandten sich die Blicke aller
in ihre Richtung. Langsam durchquerten sie den Mittelgang und näherten sich dem Altar. Artus hatte seinen Platz
bereits erreicht und stand hoch aufgerichtet da und wandte
ihnen den Rücken zu, eine beeindruckende Gestalt in seinem schneeweißen Mantel und mit dem silbern schimmernden Helm, ein König, wie man ihn sich nur vorstellen
konnte, und jeder Zoll ein Herrscher. Excalibur, das
Schwert und Sinnbild seiner Macht, hing an seinem Gürtel, in eine ebenfalls weiße Lederscheide gehüllt und in
diesem Moment keine Waffe, sondern nur ein Symbol für
das, was er war, und für die Hoffnung, die die Menschen
dieses Landes in ihn setzten, und vielleicht war es dieser
Anblick, der Lancelot endgültig klar machte, wie hoffnungslos seine Situation war. Er hätte ohne zu zögern sein
Leben geopfert, um Gwinneth nur für einen Moment
glücklich zu machen, ja, vielleicht hätte er sogar Artus
verraten.
Aber es wäre nicht nur Artus gewesen. Trotz der zahllosen kleineren Kämpfe und Kriege, die er und seine Tafelritter in den zurückliegenden zwanzig Jahren geführt hatten, hatte er dem Land doch eine Zeit des Friedens und
Wohlstandes gebracht, wie es ihn vorher noch nie erlebt
hatte. Das Reich, das Artus geschaffen hatte, war kein
Reich des Schreckens mehr, in dem die einfachen Menschen im Grunde nur dazu da waren, ihren Herrschern ein
bequemes Leben zu ermöglichen.
Es war wahrhaftig eine bessere Welt. Nicht die beste aller denkbaren, so doch die beste, die es bisher vielleicht
gegeben hatte. Artus zu verraten hieße, den Traum eines
ganzen Volkes zu verraten, und das konnte er nicht.
Sie gingen weiter, erreichten den Platz, den der Bischof
ihnen am vergangenen Abend zugewiesen hatte, und blieben stehen. Artus drehte sich langsam zu ihnen um und
lächelte erst ihm, dann seiner Braut zu und Lancelot wollte
den Arm ausstrecken, um seinem Freund und König die
Braut zu übergeben, aber der Bischof gab Lancelot in diesem Moment einen Wink mit den Augen, noch ein winziges Stückchen nach links zu gehen. Lancelot war sicher,
sich genau in der Position zu befinden, die er ihnen am
Tag zuvor zugewiesen hatte, machte aber gehorsam einen
Schritt in die angegebene Richtung.
An der Tür hinter ihnen entstand Tumult. Der Bischof
sah ärgerlich auf und auch Artus fuhr mit einer abrupten
Bewegung herum. Auf seinem Gesicht erschien ein erschrockener Ausdruck, sodass sich auch Lancelot umdrehte und in dieselbe Richtung sah.
Die Wachen hatten die Tür hinter ihnen geschlossen.
Nun aber war sie wieder einen Spaltbreit geöffnet und
zwei der Palastwachen hatten alle Mühe, einen Mann in
abgerissener Kleidung aufzuhalten, der es irgendwie geschafft hatte, bis zur Kapelle vorzudringen und nun mit
aller Macht versuchte hereinzukommen.
»Was ist da los?«, fragte Artus scharf.
Einer der Posten setzte zu einer Antwort an, aber der
vermeintliche Eindringling kam ihm zuvor.
»Herr!«, rief er. »Verrat! Traut ihm nicht! Verrat!«
Lancelot ließ Gwinneths Arm los und griff an seine linke
Hüfte, wo er normalerweise sein Schwert trug. Aber seine
Finger fuhren ins Leere. Artus hatte darauf bestanden, dass
niemand an diesem Tag eine Waffe tragen durfte, abgesehen von ihm selbst.
»Was soll das heißen?«, fragte Artus. Er gab den beiden
Wachen an der Tür einen herrischen Wink. »Lasst den
Mann herein!« Er wartete gerade, bis die Männer weit
genug zur Seite getreten waren, um dem Fremden Einlass
zu gewähren, und fuhr dann in noch schärferem Ton fort:
»Und jetzt sprich! Wenn dies nur ein Scherz sein soll,
mein Freund, dann kostet er dich das Leben, das ist dir
doch klar? Oder?«
Eigentlich war diese Warnung nicht nötig, dachte Lancelot. Der Mann war mehr tot als lebendig und ganz bestimmt nicht in der Stimmung, Scherze zu machen.
Seine Kleidung war zerfetzt und er blutete aus zahlreichen Wunden. In seiner rechten Schulter steckte der abgebrochene Schaft eines Pfeiles. Mit torkelnden Schritten
kam er näher und fiel auf die Knie, bevor er den Mittelgang zur Hälfte hinter sich gebracht hatte.
Artus tauschte einen raschen Blick mit Lancelot, dann
eilte er zu dem
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