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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihm
gefolgt war. Sir Parzifal und der Bischof waren nicht zu
sehen.
»Was ist dort hinten?«
Gwinneth machte eine Handbewegung. »Das, wonach
Ihr sucht.« Sie drehte sich herum und ging und Lancelot
folgte ihr, zögernd und verwirrt. Er hatte nichts gesucht.
Sie gingen den schmalen, mit feinem Kies bestreuten
Weg neben der Kirche entlang, bis sie den eigentlichen
Friedhof erreichten, und Lancelots Verwirrung wuchs weiter, als er sah, dass Gwinneth ihn zu einem Grab führte.
Ein einfacher Stein ohne Beschriftung, wie alle Gräber
hier, und es war ein neues. Die Erde hatte sich noch nicht
gesetzt und nur vereinzelte Grashalme hatten bereits wieder Fuß gefasst. Es war keine zwei Wochen alt, schätzte
Lancelot.
Sie blieben stehen. Lancelot erwartete nun, dass Gwinneth irgendetwas sagte, eine Erklärung abgab, aber sie
blickte nur schweigend auf das Grab und nach einer Weile
fragte er: »Wer liegt hier begraben?«
»Ein guter Freund«, antwortete Gwinneth. »Ich glaube,
Ihr habt ihn nie kennen gelernt, aber er war nach Euch der
Mensch, der mir vielleicht am nächsten gestanden hat –
auch wenn er es vermutlich niemals erfahren hat.«
Lancelot war nun vollends verwirrt. Er hatte nicht gewusst, dass Gwinneth hier auf Camelot irgendwelche
Freunde gehabt hatte, zumindest keine, die ihr so nahe
gestanden waren. »Ich verstehe nicht«, sagte er.
Gwinneth drehte sich zu ihm herum. Dann tat sie etwas
Überraschendes: Sie hob die Hände und schlug den
Schleier zurück, der ihr Gesicht bisher verhüllt hatte, und
Lancelot erschrak. Sie war sehr blass. Ihr Gesicht war
schön wie immer, doch ihre Augen waren von einer Trauer erfüllt, die sehr tief ging.
»Ihr habt ihn nicht gekannt«, sagte sie noch einmal.
»Aber er war Euch sehr ähnlich. Vielleicht nicht äußerlich.
Er war kein Ritter. Kein Edelmann. Und ich glaube, er war
nicht einmal besonders tapfer, aber in seinem Herzen war
er wie Ihr.«
Nicht zum ersten Mal an diesem Tag hatte Lancelot
plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
»Von wem … sprecht Ihr?«, fragte er stockend.
»Sein Name war Dulac«, antwortete Gwinneth. Sie drehte sich wieder herum, ohne den Schleier vor ihr Gesicht zu
senken, und sah auf das schlichte Grab hinab.
»Dulac?«, krächzte Lancelot.
»Er war ein einfacher Küchenjunge«, sagte Gwinneth.
»Wahrscheinlich hat er Euch ein paar Mal das Essen gebracht und den Wein, aber ich glaube nicht, dass Ihr Euch
an ihn erinnert. Er … fehlt mir.«
Selbst wenn Lancelot in diesem Moment hätte antworten
wollen, hätte er es gar nicht gekonnt. Seine Kehle war
zugeschnürt, seine Stimme verweigerte ihm den Dienst
und er war froh, dass Gwinneth nicht in seine Richtung
blickte. Es war ein unheimliches Gefühl, an seinem eigenen Grab zu stehen, und es war fast absurd: Er war eifersüchtig auf sich selbst. Was er in Gwinneths Stimme hörte, das war nicht nur die Trauer über den Verlust eines
guten Freundes. Da war mehr. Viel mehr.
Aber es kam auch noch etwas anderes hinzu. Dieses
Grab hätte gar nicht da sein dürfen. Sicher, Artus hielt ihn
für tot, und als er Camelot verlassen hatte, da war er sehr
sicher gewesen, den nächsten Morgen nicht mehr zu erleben. Wie ein verletztes, sterbendes Tier hatte er sich verkrochen, um einsam und allein zu sterben, und es hatte
keinen Leichnam gegeben, den man hier beerdigen konnte.
»Wart Ihr … wart Ihr dabei, als er starb?«, fragte er
stockend.
Gwinneth schüttelte den Kopf. »Nein. Er starb in Artus’
Armen. Der Dolch, der sein Herz durchbohrte, galt Artus,
aber er hat ihn nicht sofort getötet. Ich habe so darum gebetet, dass Gott gnädig sein möge und ihm das Leben
schenken würde, aber meine Gebete wurden nicht erhört.
Artus hat die ganze Nacht gewacht, aber schließlich starb
er.«
»Hat Artus Euch das erzählt?«, fragte er zögernd.
Gwinneth nickte. »Er hat diesen Jungen gemocht«, sagte
sie. »Er hat es nie gesagt, aber irgendwie hatte er ihn ins
Herz geschlossen.«
Ja, dachte Lancelot bitter, so sehr, dass er ihn sogar hatte beerdigen lassen, ohne dass es einen Leichnam gegeben
hatte. Er verstand es nicht. Warum? Hatte Artus so sichergehen wollen, dass Gwinneth ihn für tot hielt, dass er nicht
einmal abwartete, bis man seinen Leichnam gefunden hatte, sondern ihn beerdigen ließ, obgleich er gar nicht da
war? Diese Vorstellung war so absurd, dass er sich
weigerte, den Gedanken auch nur in Erwägung zu ziehen.
Obwohl es doch der einzige war, der

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