Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Ich glaube nicht, dass das Tor ihm
standhält, wenn es wirklich hereinwill.«
Gwinneth schluckte ein paar Mal. Ihr Gesicht glänzte
vor Nässe und ihr Atem erschien in der kalten Luft als
grauer Dampf und dennoch war Lancelot sicher, dass sie
nicht nur vor Kälte zitterte. Aber schließlich rang sie sich
zu einem Nicken durch und folgte ihm zur Treppe.
Hier draußen hatten keine weiteren Pikten auf sie gewartet, aber das verleitete Lancelot nicht dazu, unvorsichtig zu
werden. Diese ganze Festung war nichts anderes als eine
einzige Falle, die ganz allein ihm gegolten hatte, aber er
fühlte sich durch die Anzahl der Krieger, die Morgaine
aufgeboten hatte, um seiner habhaft zu werden, nicht unbedingt geschmeichelt. Vielmehr fragte er sich, wie viele
Attentäter noch dort oben auf Gwinneth und ihn warten
würden – oder vielleicht andere, noch bösere Überraschungen.
Es gab nur einen einzigen Weg, es herauszufinden.
Der Himmel über ihnen hatte dieselbe Farbe wie die uralten Mauern der Festung angenommen, und als sie aus
der Tür auf den mit Trümmern übersäten Innenhof hinausgetreten waren, war es fast unheimlich still gewesen.
Niemand hatte auf sie gewartet.
Gwinneth war ihm schweigend gefolgt, während sie den
Innenhof überquerten und das Tor ansteuerten, und sie
hatte nicht einmal etwas gesagt, als sie am Fuß des Hügels
angelangt waren und sie das Einhorn erblickte.
Als Lancelot jedoch die Hand ausstreckte, um ihr in den
Sattel zu helfen, schüttelte sie erschrocken den Kopf und
wich vor ihm zurück.
»Was hast du?«, erkundigte sich Lancelot. »Du kennst
doch das Einhorn. Du hast es schon gesehen.«
»Rühr mich nicht an!«, sagte Gwinneth mit zitternder
Stimme. »Komm mir nicht zu nahe!«
Verwirrt machte Lancelot einen Schritt in ihre Richtung
und blieb dann abrupt wieder stehen, als sie einen kurzen
Schrei ausstieß, erneut vor ihm zurückprallte und beinahe
gestürzt wäre.
»Aber was hast du denn nur?«
»Die Rüstung«, stammelte Gwinneth. »Diese Rüstung.
Ich ertrage es nicht.«
Im ersten Moment nahm Lancelot an, dass sie den
schwarzen Eisenharnisch meinte, den er trug, und so unpassend ihm der Moment auch erschien, er konnte Gwinneth verstehen. Nach allem, was sie erlitten hatte, war der
Anblick des schwarzen Metalls vielleicht mehr, als sie
jetzt noch ertragen konnte. Er setzte den Helm ab und griff
nach den ledernen Riemen, die seinen Brust- und Rückenharnisch zusammenhielten, und in diesem Moment riss
sich Gwinneth den schwarzen Umhang von den Schultern
und schleuderte ihn mit einem fast angeekelten Laut von
sich. Auf dieselbe Weise verfuhr sie mit dem Helm und
begann dann zitternd und ungeschickt an den Riemen und
Schnallen ihres eigenen Harnischs zu zerren. Lancelot
beobachtete ihr Tun einen Moment lang verständnislos,
dann aber trat er zu ihr und half ihr. Gwinneth stieß ihn
diesmal nicht von sich, riss aber weiter wie besessen an
den Rüstungsteilen, die sie trug, als bestünden sie nicht
aus kühlem silbernen Eisen, sondern aus rot glühendem
Stahl, der sich in ihre Haut fraß. Obgleich sie ihn mehr
behinderte als half, dauerte es kaum eine Minute, bis
Gwinneth zitternd und leise schluchzend in ihrem zerrissenen Hochzeitskleid vor ihm stand.
Lancelot sah sie an und wartete auf eine Erklärung, aber
sie wich seinem Blick aus und schließlich hob er achselzuckend die Rüstungsteile auf, die sie in weitem Umkreis
verstreut hatte, und entfernte sich ein kleines Stück weit
damit; gerade weit genug, um halbwegs mit den Schatten
der Nacht zu verschmelzen, sodass Gwinneth sein Gesicht
nicht sehen konnte, während er die schwarze Rüstung ablegte. Obwohl er die Nachtkälte jetzt doppelt schmerzhaft
spürte, fühlte er sich erleichtert, sie nicht mehr zu tragen.
Dieses zerschrammte schwarze Eisen war viel mehr als
Eisen, so wie das schimmernde Silber seiner eigenen Rüstung mehr als gehämmertes Metall war. Er warf die verschiedenen Ausrüstungsteile so weit in die Dunkelheit
hinein, wie er nur konnte, dann sah er eine ganze Weile
unschlüssig auf die Gralsrüstung hinab, die vor ihm lag.
Gwinneth stand fast schutzlos in der Nachtkälte und zitterte am ganzen Leib und es wäre ihm irgendwie falsch vorgekommen, sich selbst wieder in seine Rüstung zu hüllen.
Aber wenn er es nicht tat, dann würde sie ihn erkennen,
und dieses Risiko konnte er nicht eingehen. Also legte er
die Rüstung rasch an, befestigte Schild und Helm am Sattelgurt des Einhorns,

Weitere Kostenlose Bücher