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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mindestens ein
halbes Dutzend sein, wenn nicht mehr, die ihn hier abgepasst hatten. Aber sie waren verwirrt und schienen nicht
zu wissen, was sie tun sollten. Sie hatten ihn erwartet, den
Silbernen Ritter, aber stattdessen war ein Mann in der
Kleidung ihrer Verbündeten aus dem See aufgetaucht und
hatte einen von ihnen erschlagen und einen zweiten niedergeworfen. Und zu allem Überfluss mussten sie nun
auch noch glauben, dass es sich bei der Gestalt in der silbernen Rüstung um den Ritter handelte, dem sie eigentlich
hatten auflauern wollen – und der ganz offensichtlich mit
ihrem vermeintlichen Verbündeten gemeinsame Sache
machte. Lancelot war sicher. Ihre Verwirrung würde nicht
lange dauern. Das Blut ihres Kameraden sprach eine eigene, deutliche Sprache. Aber sie hatten einen Vorteil, und
war er noch so winzig – vielleicht reichte er aus.
Lancelot verschaffte sich mit einem weiteren Rundumhieb Luft, stieß Gwinneth grob vor sich her und rannte auf
das schwere Eisentor am anderen Ende der Grotte zu. Nur
ein einziger Pikte versuchte ihm den Weg zu verstellen
und besann sich dann im letzten Moment eines Besseren,
als das Elbenschwert in seine Richtung stieß, aber der
Chor wütender Stimmen hinter ihm wurde lauter und er
hörte das hastige Trappern schwerer Stiefel. Und noch
einen anderen, schrecklichen Laut: Ein Geräusch, als wäre
der See selbst explodiert, gefolgt von einem so zornigen
Brüllen und Kreischen, dass ihm schier das Blut in den
Adern gerann. Ohne im Schritt innezuhalten, stürmte er
weiter, warf aber einen Blick über die Schulter zurück und
sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Der See
schäumte und inmitten des hochspritzenden Wassers
tauchte das Ungeheuer auf, das er nun zum ersten Mal von
nahem sah.
Es war viel größer, als er geglaubt hatte, und es ähnelte
jetzt mehr denn je der grässlich verzerrten Karikatur eines
Hundes. Als die Pikten das Ungeheuer sahen, stoben sie
entsetzt auseinander und die geschuppte Bestie war mit
einem einzigen Satz am Ufer und sprang in Lancelots
Richtung.
Verzweifelt stieß er Gwinneth durch die Tür, stürzte hinterher und wirbelte herum, um sich mit seinem ganzen
Körpergewicht gegen den Torflügel aus Eisen zu stemmen. Für einen kurzen, aber grässlichen Moment schien er
sich nicht zu bewegen, dann aber fiel das Tor mit einem
dumpfen Krachen ins Schloss und Lancelots Hand rammte
den Riegel davor – im buchstäblich allerletzten Augenblick.
Das Tor erbebte wie unter dem Faustschlag eines zornigen Riesen. Die beiden gewaltigen, aus massivem Eisen
bestehenden Hälften ächzten, als wollten sie zerbrechen,
und der Riegel ließ ein bedrohliches Knirschen hören.
Selbst der Boden schien unter Lancelots Füßen zu zittern
und aus der Wand über der Tür lösten sich kleine Steinbrocken und Staub, die auf Gwinneth und ihn herunterrieselten.
Lancelot wich mit einem hastigen Schritt von dem Tor
zurück. Er war sicher, dass es keinen zweiten so ungestümen Angriff aushalten würde, und wenn die Bestie zu ihnen hereinkam, dann würden Gwinneth und ihn auch die
Zauberrüstungen nicht mehr schützen, denn ihre Magie
wirkte nur gegen Geschöpfe von dieser Welt, nicht gegen
solche, die aus derselben Welt wie sie stammten.
Aber es erfolgte kein zweiter Angriff. Die Tür zitterte
nicht wieder, doch dafür hörte er nach einem Augenblick
einen Chor gellender Angst- und Schmerzensschreie auf
der anderen Seite des Tores, in die sich schreckliche, reißende Laute und Fressgeräusche mischten …
Lancelot drehte sich schaudernd herum, half Gwinneth
auf die Füße und zog sie ein paar Schritte vom Tor fort,
damit sie diese entsetzlichen Laute nicht hören musste.
Nach einem Moment aber machte sie sich los, blieb wieder stehen und sah das geschlossene schwarze Eisentor
und dann ihn an. »Was war das?«, fragte sie mit zitternder
Stimme.
Lancelot zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht«,
sagte er. »Irgendein Ungeheuer, das Morgaine hinter uns
hergeschickt hat, nehme ich an.«
Wieder sah Gwinneth das Tor an und in ihrem Gesicht
arbeitete es. »Diese Männer …«, murmelte sie. »Es … es
wird sie töten.«
Lancelots erster Impuls war, diese Worte mit irgendeiner
Bemerkung abzutun und Gwinneth zu zwingen weiterzugehen, aber er spürte, dass sie sich darauf nicht einlassen
würde, und so sagte er nur leise: »Vermutlich hat es das
schon. Und es wird uns auch umbringen, wenn wir noch
lange hier bleiben.

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