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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das geduldig dabeistand und abwechselnd ihn und Gwinneth aus seinen unheimlichen Augen
ansah, als amüsiere es sich im Stillen über das, was sie
taten, und Lancelot wandte sich schließlich wieder Gwinneth zu.
»Nimm wenigstens den Mantel um«, bat er. »Die Nacht
ist sehr kalt. Du wirst krank.«
Gwinneth schüttelte nur den Kopf und Lancelot sparte es
sich, seinen Vorschlag zu wiederholen. Einen Moment
überlegte er, noch einmal zur Burg hinaufzugehen und den
Mantel eines der toten Pikten zu holen, wusste aber zugleich, dass Gwinneth auch ihn niemals anlegen würde.
Er hob die Schultern. »Also gut«, sagte er. »Reiten wir.«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, schwang er sich in den
Sattel und streckte die Hand aus. Selbst jetzt zögerte
Gwinneth noch, aber schließlich nahm sie seine Hilfe an
und ließ sich von ihm auf den Rücken des Einhorns hinaufziehen. Lancelot rutschte im Sattel nach vorne, so
weit er konnte, damit sie beide darin Platz hatten, und das
Tier begann, ohne dass es eines Befehles bedurft hätte,
gerade so schnell loszulaufen, dass sie nicht Gefahr liefen,
den Halt zu verlieren oder gar abgeworfen zu werden.
Sehr lange ritten sie, dicht aneinander gepresst, aber in
unbehaglichem Schweigen, durch die Nacht. Der Himmel
war bewölkt, sodass es Lancelot schwer fiel, die Zeit zu
schätzen, aber er spürte, dass Mitternacht lange vorüber
sein musste. Sie würden die ganze Nacht und vermutlich
noch sehr viel länger brauchen, um Camelot zu erreichen,
denn das Einhorn bewegte sich zwar immer noch sehr
schnell, aber nun auf normalen Wegen, die auch jedem
anderen Wesen offen standen. Dieser Umstand bereitete
Lancelot große Sorge. Das Einhorn in seinem schweren
Metallpanzer und noch dazu mit zwei Reitern im Sattel
hinterließ eine mehr als deutliche Spur. Wenn sich Pikten
in der Umgebung aufhielten – und es wäre vermessen,
auch nur zu hoffen, dass es nicht so war –, dann würden
sie sie spätestens bei Sonnenaufgang sehen und es würde
ihnen auch nicht besonders schwer fallen, sie einzuholen.
Nun wieder in einer Wirklichkeit, in der seine Rüstung
Schutz vor nahezu jeder von Menschen geschaffenen Waffe bot, fürchtete sich Lancelot nicht mehr vor einer Begegnung mit den Barbarenkriegern. Aber er war nicht allein. Gwinneth war schutzlos und verwundbar, und solange sie bei ihm war, konnte er keinen Kampf riskieren.
Die ersten Meilen ritten sie fast ununterbrochen durch
dichten Wald, aber Lancelot fiel auf, dass das Einhorn nun
längst nicht mehr so rücksichtslos und schnell durch Unterholz und Gestrüpp brach wie auf dem Weg hierher,
sondern sich ganz gezielt den jeweils leichtesten Weg auszusuchen schien, und als sie schließlich einen schmalen
Trampelpfad erreichten, da musste er nicht die Zügel benutzen, um das Tier dazu zu bewegen, ihm zu folgen.
Vielleicht ist es ebenso am Ende seiner Kräfte wie Gwinneth und ich, überlegte er. Es hatte zwar die halbe Nacht
vor der Festung gestanden und auf ihn gewartet, aber möglicherweise hatte ihm der Weg durch die unheimliche
Zwischenwelt nach Malagon hin ja viel mehr abverlangt,
als ihm bisher klar gewesen war. Dass das Einhorn ein
Geschöpf mit magischen Kräften war, bedeutete nicht,
dass diese Kräfte unerschöpflich sein mussten.
Nach und nach lichtete sich der Wald und im gleichen
Maße, in dem der Weg breiter und freier von Hindernissen
war, steigerte das Einhorn sein Tempo, bis es schließlich
so schnell wie der Wind dahinzuschießen schien, fast als
hätte es seine Gedanken gelesen und wollte ihm auf diese
Weise zeigen, wie lächerlich diese Überlegungen waren.
Aber mochten die Kräfte des Einhorns auch lange ausreichen, die seiner Reiter taten es nicht. Es fiel Lancelot immer schwerer, sich aufrecht im Sattel zu halten, und wie es
Gwinneth ergehen mochte, daran wagte er gar nicht erst zu
denken.
Immerhin hörte der Wald endlich auf und vor ihnen lag
ein sanft gewelltes Hügelland, das unter dem nahezu sternenlosen Himmel aussah wie ein erstarrter schwarzer
Ozean. Aber er war nicht gänzlich schwarz. Es gab zwei
oder drei winzige blinzelnde Sterne, die vom Himmel gefallen zu sein schienen; Häuser oder Höfe, noch sehr weit
entfernt, aber dennoch nicht unerreichbar. Dort lebten
Menschen und die Hilfe von Menschen war im Moment
das, was sie beide am allerdringendsten nötig hatten.
Er ließ das Einhorn anhalten und drehte sich umständlich
im Sattel herum, um Gwinneth ins Gesicht zu blicken. Sie

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