Elbenschswert
warm.«
»Ich werde die Satteldecke holen«, sagte Lancelot. »Sie
riecht nicht gut und ist zerschlissen, aber …« Er sprach
nicht weiter, als er sah, dass Gwinneth eingeschlafen war.
Lange Zeit saß er völlig reglos da und blickte auf ihr
schmales, blasses Gesicht hinab, dann beugte er sich vor,
küsste sie ganz sacht auf die Stirn und fuhr ihr mit der
freien Hand über das Haar. Es fühlte sich an wie Seide und
der Schauer, den die Berührung in ihm auslöste, war nicht
nur auf seine Kälte zurückzuführen.
Dann verlangte die Natur ihr Recht und auch Lancelot
schlief ein, noch bevor er den Gedanken ganz zu Ende
gedacht hatte.
Es war das Geräusch von Hufschlägen und das Gefühl,
beobachtet zu werden, das Lancelot weckte. Er hob die
Lider und sah sich um, indem er nur die Augen bewegte,
nicht den Kopf, und seine rechte Hand wollte vorsichtig
nach dem Schwert greifen, konnte sich aber nicht bewegen, weil etwas sehr Schweres, Großes auf seinem Arm
lag. Verwirrt sah er nach rechts und erblickte Gwinneth,
die sich im Schlaf eng an ihn gekuschelt hatte. Ihre flache
Hand lag auf seiner Brust und ihr Atem strich warm und
süß an seinem Hals entlang.
So behutsam wie möglich zog er den Arm unter Gwinneths Rücken hervor und blickte sich zugleich nach seiner
Waffe um. Sie lag zusammen mit seiner Rüstung nicht
weit links von ihm im Gras, aber wenn da tatsächlich jemand war, der ihm auflauerte, dann würde ihm wohl kaum
die Zeit bleiben, sie anzulegen.
Da er ohnehin nichts sehen konnte außer dem trüben
Grau der Morgendämmerung, die sich über das Land gesenkt hatte, schloss er die Augen wieder und versuchte
sich ganz auf das zu konzentrieren, was ihm sein Gehör
mitteilte. Der Hufschlag kam näher und es war eindeutig
der von sehr vielen Pferden, doch sie mussten noch mindestens eine Meile entfernt sein, wenn nicht weiter. Darüber hinaus hörte er nur seine eigenen und Gwinneths
Atemzüge und ein ganz leises Wispern, so sacht, als wäre
es tatsächlich nichts anderes als das Geräusch der Blätter,
durch die der leichte Morgenwind fuhr.
Er hatte keine Wahl. Mit einer schnellen Bewegung warf
er sich zur Seite, griff mit der linken Hand nach dem
Schild und mit der rechten nach dem Schwert und hielt
beides kampfbereit in den Händen, als er in die Höhe
schnellte. Sein Blick tastete misstrauisch über den Wald
und die grauen Nebelschwaden, die sich zwischen den
Stämmen eingenistet hatten und ihm Bewegung vorgaukelten, wo keine war, dafür vielleicht aber eine wirkliche
Bedrohung verbargen.
»Wer ist da?«, fragte er. »Zeig dich!«
Zuerst bekam er keine Antwort, dann knackte ein Zweig
und einer der Schatten vor ihm wurde etwas fester, ohne
wirklich zu einem Körper zu werden oder gar ein Gesicht
zu bekommen. Ein leises Lachen erklang und dann sagte
eine sehr vertraute, aber unwillkommene Stimme: »Ihr
reagiert wirklich schnell, Sir Lancelot. Dennoch wäre es
mir ein Leichtes gewesen, Euch die Kehle durchzuschneiden, hätte ich das wirklich gewollt.«
Lancelot sog erschrocken die Luft zwischen den Zähnen
ein und hielt den Schild etwas höher, sodass er sein Gesicht fast vollkommen verdeckte und er gerade noch über
den oberen Rand hinwegsehen konnte, und im nächsten
Moment trat Sir Mandrake mit einem entschlossenen
Schritt gänzlich zwischen den Bäumen hervor und schüttelte den Kopf. »Ganz abgesehen vom Leben unser zukünftigen Königin, das auch meiner Willkür überlassen
wäre«, schloss er.
»Mandrake!«, entfuhr es Lancelot. Ein eisiger Schrecken
breitete sich in ihm aus, als ihm klar wurde, dass er nicht
die magische Rüstung trug und Mandrake nur noch einen
einzigen Schritt näher zu kommen brauchte, um zu erkennen, wer vor ihm stand.
»Hattet Ihr jemand anderen erwartet, Ritter Lancelot?«,
fragte Mandrake abfällig.
»Ich hatte –«
»Vielleicht die Pikten, die da gerade herankommen?«,
fuhr Mandrake fort, ohne seinen Einwand zur Kenntnis zu
nehmen. Zugleich machte er eine Armbewegung in die
Richtung, aus der das Hufgetrappel kam.
»Pikten?«
»Eine ganze Menge«, bestätigte Mandrake. »Ich habe
mir nicht die Zeit genommen, sie zu zählen, aber ich
schätze, es sind mindestens dreißig. Aber das wird einen
so unbesiegbaren Ritter wie Euch ja nicht weiter schrekken, oder?«
»Nicht, wenn Ihr mir Zeit lasst, meine Rüstung anzulegen«, murmelte Lancelot. Damit fuhr er herum, rammte
die Spitze des Schildes in den weichen Waldboden, sodass
er
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