Elbenschswert
ein wenig schräg, aber aufrecht stehen blieb, und beugte
sich rasch hinunter, um seinen Helm überzustreifen. Als
Nächstes kamen Kettenhemd, Brust- und Rückenpanzer
und dann die übrigen Rüstungsteile an die Reihe und in
wenigen Augenblicken war Lancelot in die silberne Gralsrüstung gehüllt und konnte Schild und Schwert wieder zur
Hand nehmen. Erst danach drehte er sich zu dem Tafelritter herum.
»Ich hoffe, Ihr seid nicht allein gekommen, Mandrake«,
sagte er.
Mandrakes Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. »Und wenn ich es wäre?«, fragte er. »Ein guter
Moment, einiges zwischen uns zu klären. Niemand würde
es erfahren – ganz egal, wie es ausgeht.«
Lancelot verstand nur zu gut, was der Tafelritter damit
meinte, aber er schüttelte den Kopf. »Dies ist nicht der
Augenblick, um unsere persönlichen Zwistigkeiten auszutragen. Was geschehen ist, tut mir Leid. Ich wollte Euch
nicht verwunden. Wenn Ihr es verlangt, leiste ich öffentlich dafür Abbitte, aber ich bin ebenso bereit, Euch Genugtuung zu gewähren. Aber nicht jetzt. Das Leben unserer Königin steht auf dem Spiel.«
Mandrake nickte nachdenklich und sah einen Moment
lang auf Gwinneth hinab, aber nicht auf die Art, wie man
eine Königin ansehen sollte. Lancelots Herz begann
schneller zu schlagen und Zorn stieg in ihm auf.
Wie lange hatte Mandrake dort im Nebel gestanden und
sie beobachtet? Und was glaubte er nun? Dann aber wiederholte Mandrake sein Nicken und sagte lauter und in
verändertem Tonfall: »Ihr habt Recht. Wir werden alles
klären, sobald wir wieder in Camelot sind. Weckt Lady
Gwinneth. Dann folgt mir.«
Ohne sich die Mühe zu machen, Lancelot zu erklären,
wohin er ihm denn folgen sollte, drehte er sich um und
verschwand mit schnellen Schritten im Nebel und Lancelot ließ sich neben Gwinneth auf ein Knie herabsinken und
berührte sie vorsichtig an der Schulter. Es dauerte einen
Moment, ehe sie wach wurde. Ihre Lider flatterten und im
allerersten Augenblick war ihr Blick trüb, aber dann
leuchteten ihre Augen auf und zum ersten Mal seit langer
Zeit erschien ein Lächeln auf ihren Zügen.
»Lancelot!«
»Jetzt nicht«, sagte Lancelot schnell. »Mandrake ist
hier.«
Gwinneth setzte sich mit einem so heftigen Ruck auf,
dass ihr im ersten Moment schwindelig wurde und sie die
Hand gegen die Stirn presste. »Mandrake?«
»Und leider nicht nur er«, fuhr Lancelot fort. »Es sind
Pikten in der Nähe. Wir müssen weg.«
Gwinneth blinzelte zu ihm hoch und Lancelot griff nach
ihrem Arm und zog sie einfach in die Höhe. Die Bewegung war so selbstverständlich, dass er sich gar nichts dabei dachte und Gwinneth wohl auch nicht.
Aber dann schrak er zurück und machte rasch einen
Schritt zur Seite. Was, wenn Mandrake sie beobachtete?
»Kommt«, sagte er.
Gwinneth wollte eine Frage stellen, aber er ließ ihr nicht
die Zeit dazu, sondern drehte sie mit sanfter Gewalt herum
und legte die Hand auf ihren Rücken, um sie in die Richtung zu schieben, in der Mandrake verschwunden war.
Aber er ließ den Arm gleich wieder sinken. Gestern, als es
um ihr Leben ging, da hatte er vielleicht das Recht gehabt,
seine zukünftige Königin zu berühren. Jetzt nicht mehr.
Sie waren nur ein paar Schritte in die Richtung gegangen, in der Mandrake verschwunden war, als sie Stimmen
und gedämpftes Hufgetrappel hörten. Lancelot wurde
schneller und trat nach kaum einer Minute auf den schmalen Waldweg hinaus, den auch sie gestern Abend genommen hatten.
Er war jetzt nicht mehr leer. Nicht nur Sir Mandrake,
sondern fast ein Dutzend Männer im vertrauten Weiß und
Blau Camelots erwartete sie. Einige von ihnen waren mit
der undankbaren Aufgabe beschäftigt, das Einhorn zurückzuhalten, das unwillig mit den Hufen scharrte und
immer wieder versuchte, die Pferde der Krieger aus Camelot zu attackieren, und als Mandrake seine Schritte hörte,
fuhr er ihn an: »Gut, dass Ihr kommt. Haltet dieses Vieh in
Zaum oder ich schwöre Euch bei Gott, dass ich ihm die
Fesseln durchschneide und es hier verbluten lasse!«
Lancelot verspürte keine geringe Lust, es Mandrake zu
überlassen, diese Drohung in die Tat umzusetzen. Er hatte
eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, wie ein solches
Unterfangen enden musste. Aber er eilte wortlos an Mandrake vorbei, scheuchte die Männer zur Seite, die ohnehin
mehr damit beschäftigt waren, den ausschlagenden Hufen
des Einhorns auszuweichen, statt es festzuhalten, und legte
dem Tier die flache Hand auf
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