Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
»Desweiteren bestimme ich als meinen Letzten Willen, dass du, Lau’Ley, die Hüterin frei und unbehelligt abziehen lässt, wenn sie mich bei diesem Duell töten sollte.«
Lau’Ley lachte auf eine spöttische Weise amüsiert auf. »Dem kann ich mich bedenkenlos fügen, mein Gebieter«, sagte sie. »Ist es doch ausgeschlossen, dass es jemals eintreffen wird … jemand wie sie wird Euch niemals besiegen.«
»Also hat sie dein Wort darauf.«
»Ja«, sagte Lau’Ley. »Das hat sie.«
Laurin wandte sich wieder an sein Volk. »Ihr habt es alle gehört. Bist du damit zufrieden?«, fragte er Svenya.
»Das bin ich«, antwortete sie.
»Dann bindet sie los«, befahl Laurin den Männern, die sie zuvor gefesselt hatten.
Hals- und Handschellen wurden gelöst, und sofort fiel ein Teil der Mattheit, die von Svenya Besitz ergriffen hatte, wieder von ihr ab. Was blieb, war die wilde Energie, die sie seit dem Beschwören der fünf Ritualgegenstände erfüllte.
»Ich nehme an, du brauchst einen Moment, um dich zu erholen«, sagte Laurin galant.
»Das ist nicht nötig«, erwiderte Svenya. »Aber ein Schluck Wasser wäre sehr willkommen.«
Laurin winkte einem seiner Krieger zu, und der brachte eine Feldflasche. Svenya roch daran, um sicherzustellen, dass der Inhalt reines Wasser war. Erst dann nahm sie einen großen Schluck. Sogleich fühlte sie sich frischer und belebter.
Während Svenya ihre Rüstung und ihre Waffen untersuchte, sah sie, wie Lau’Ley sich zu Laurin beugte, und hörte, wie sie hasserfüllt flüsterte: »Ich weiß, wir brauchen sie lebend. Aber dennoch – tu ihr weh für das, was sie Grynd’Nirr, meinem Sohn, angetan hat.«
Jetzt verstand Svenya die Blicke der Frau, und sie verspürte das Bedürfnis, sich bei ihr zu entschuldigen … oder sich zumindest zu rechtfertigen dafür, dass sie den Leviathan töten musste … dass er ihr keine andere Wahl gelassen hatte. Doch ehe sie etwas sagen konnte, hatte Lau’Ley sich bereits umgedreht und schwebte zu ihrem alten, erhöhten Platz zurück, um von dort aus das Duell besser verfolgen zu können.
»Bist du bereit?«, fragte Laurin.
Sie war es nicht. Ein Duell kam ihr ebenso künstlich vor wie ein Test. Es war etwas anderes, sich gegen einen Angreifer verteidigen zu müssen und ihn zu bekämpfen, als einen Kampf aus dem Nichts heraus zu beginnen. Aber es gab keine Alternative. »Ja, ich bin bereit.«
Svenya zog ihr Schwert und ging in Position. Laurin entfernte sich ein paar Schritte, verbeugte sich vor ihr und zog ebenfalls seine Klingen. So standen sie einander gegenüber, und ihre Blicke bohrten sich ineinander. Seine dunklen Augen hatten etwas Hypnotisierendes, aber Svenya war zu angespannt, um dafür jetzt anfällig zu sein. Sie fühlte ihren Stand und ihre Balance, den Griff ihrer Faust um Skalliklyfja, das Gewicht der Klinge, das Blut in ihren Muskeln, das Schlagen ihres Herzens … und wie sie ihren Atem darauf einstellte. Der Geruch von Fichtennadeln und Baumharz stieg ihr in die Nase, und ihre Sicht konzentrierte sich mehr und mehr auf den Schwarzen Prinzen. Es war, als würden sich all ihre Sinne miteinander vereinen und auf das Hier und Jetzt fokussieren. Nichts außer diesem Duell spielte jetzt noch eine Rolle. Weder das Morgen noch die Zuschauer. Gedanken waren überflüssig – jetzt war die Zeit für Instinkte und Reflexe.
Ohne jede Vorwarnung hechtete Laurin auf sie zu.
Hölle, war er schnell! Es sah aus, als würde ein Blitz einschlagen. Doch Svenya war nicht langsamer: Sie sprang zur Seite weg, wich der einen Klinge aus und blockte die andere mit der ihren, nutzte ihren Schwung und hieb nach Laurins Nacken. Aber der Fürst der Dunkelelben war schon wieder herum, wischte ihr Schwert zur Seite und stach mit dem anderen zu. Svenya drehte sich aus der Bahn und senste mit Skalliklyfja in Hüfthöhe einen Halbkreis, dem Laurin nur mit knapper Not ausweichen konnte. In seinen dunklen Augen flammte Respekt auf, und er ging erneut auf Abstand.
Svenya nahm wieder ihre Kampfhaltung ein und wartete auf die zweite Attacke.
»Bei Thor«, stieß Yrr leise aus. »Sie ist gut! Sie ist sogar verdammt gut.«
Trotz der Ernsthaftigkeit der Situation lächelte Hagen mit mehr als nur einem Hauch von Stolz. »Das habe ich dir von Anfang an gesagt.«
»Habt ihr Laurins Blick gesehen?«, fragte Raik voller Bewunderung. »Die Überraschung darin?«
»Er war sich sicher, leichtes Spiel zu haben«, sagte Wargo. »Sonst hätte er den Deal erst gar nicht
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