Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
und alles und jeden zu beißen oder zu zerreißen versucht.«
»Dieser hier wollte nicht kämpfen, er wollte fliehen«, teilte Svenya ihre Beobachtung von zuvor mit.
»Korrekt«, stimmte Hagen zu. »Das ist völlig unnatürlich für einen Wyrm. Aber einen Wyrm zu programmieren, bedarf eines Magiers, wie es in allen Neun Welten vielleicht gerade einmal ein halbes Dutzend gibt. Und der Preis dafür war sehr, sehr hoch.«
»Aber wer sollte sich solche Mühe geben, nur damit ein Wyrm von hier ausbrechen kann?«, fragte Svenya.
»Die Frage nach dem Wer ist weniger wichtig als die nach dem Warum«, sagte Hagen. »Es ging hier nicht darum, Schaden anzurichten. Der Wyrm ist ein Bote. Er trägt eine Nachricht bei sich. Und dass man einen Wyrm geschickt hat, um sie zu überbringen, verrät uns, dass diese Nachricht nicht nur von außerordentlicher Wichtigkeit, sondern auch dringend ist.«
»Eine Nachricht an wen?«
»An Laurin natürlich.«
»Und was lässt Euch glauben, dass sie außer wichtig auch dringend ist?«
»Die Tatsache, dass die andere Seite sonst versucht hätte, Dunkelelben zu schicken«, sagte Hagen. »Einen nach dem anderen. Jeder hätte die Nachricht nur im Kopf gehabt und versucht, heimlich durch das Tor und aus Elbenthal hinaus zu gelangen. Früher oder später wäre es einem von ihnen geglückt. Aber bei dieser Botschaft wollte man sichergehen, dass sie Laurin unter allen Umständen und ganz unmittelbar erreicht. Daher haben sie einen Wyrm geschickt und ihn darauf programmiert, sich nicht auf einen Kampf einzulassen und durch Türen gehen zu können. Wir müssen ihn aufhalten!«
Die Aufzugtür öffnete sich, und die beiden liefen nach draußen. Hier waren sie auf einer Ebene, die Svenya noch nicht kannte. Nachdem sie vier stark gesicherte Tore passiert hatten, erreichten sie einen Raum, der auf der gegenüberliegenden Seite zur Höhle hin komplett offen war.
Hagen erhielt eine Meldung über das Ear-Set.
»Hagen an Wargo«, sagte er daraufhin. »Der Wyrm ist über die südöstlichen Mauern nach draußen gelangt. Setz dich unverzüglich auf seine Fährte.«
»Also ist er tatsächlich auf dem Weg nach Aarhain«, schloss Svenya aus den Worten des Generals.
Hagen nickte und eilte nach vorne zum Rand der offenen Halle, wo er einen schrillen Pfiff ausstieß – der schon einen Sekundenbruchteil später aus einiger Entfernung von einem lauten Schrei beantwortet wurde. Er erinnerte Svenya an den Schrei eines Raubvogels, nur dass dieser hier sehr viel lauter war. Als nächstes hörte sie das Rauschen von Flügeln und schaute nach oben. Unwillkürlich machte sie einen Schritt zurück. Das auf sie herabstürzende Tier war größer als eine Flemys – und noch furchteinflößender. Es war das gleiche Tier, das Hagen auf seinem Schild trug: ein Greif! Ein Löwe mit dem Vorderkörper und dem Kopf eines Adlers. Zuerst glaubte Svenya, er sei pechschwarz, aber als er ganz nah bei Hagen landete, beinahe zärtlich seinen Kopf senkte und seine Stirn und den Rücken seines gewaltigen Hakenschnabels an Hagens Brust rieb, erkannte sie, dass seine Federn und sein Fell in Wirklichkeit dunkelblau waren.
»Das ist Euer Reittier?«, fragte sie voller Bewunderung für die Schönheit des Tieres.
»Stjarn ist mehr als nur mein Reittier«, sagte Hagen. »Er ist mein Begleiter.« Er schwang sich auf den Rücken des Greif und hielt Svenya die rechte Hand hin. »Komm, steig auf.«
Svenya griff zu und ließ sich dabei helfen, auf Stjarns sattellosen Rücken zu springen.
»Halt dich gut fest«, rief Hagen, und Svenya schaffte es gerade noch, ihre Arme von hinten um seine Taille zu schlingen, ehe der Greif sich mit einem wilden Schrei aufbäumte und sich mit seinen kraftvollen Beinen in die Höhe stieß, ehe er seine weiten, glänzenden Flügel spannte und kräftig mit ihnen schlug, um noch höher zu steigen.
»So einen will ich auch«, sagte Svenya aus einem Impuls der Begeisterung heraus und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Es war nicht ihre Art, wie ein verwöhntes Gör Wünsche als Forderungen zu formulieren.
Hagen lachte auf. »Das kann ich mir vorstellen. Aber warte erst, bis du deinen eigenen Begleiter kennenlernst.«
»Ich habe einen eigenen Begleiter?« Svenya konnte sich nicht helfen, sie war ganz verzückt.
»Ja, den hast du«, sagte er. »Allerdings wird er dir erst nach bestandener Prüfung zur Verfügung stehen.«
Sie stieß einen enttäuschten Laut aus. »Also sobald wir den Wyrm zur Strecke
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