Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
ihnen in die Hände fällst. Noch bist du nicht soweit.«
»Aber …« Svenya wollte einwenden, dass sie sehr wohl auf sich selbst achten konnte und ihm im Kampf eine große Hilfe sein könnte – dessen war sie sich inzwischen seltsamerweise sicher. Doch dazu kam sie nicht mehr.
»Spring!«, befahl Hagen.
Doch Svenya dachte nicht daran, seinem Befehl zu folgen. Sie würde bei ihm bleiben.
Da knurrte er einen seltsamen Laut, und Stjarn machte eine Rolle um die eigene Längsachse. Das tat er so schnell und unerwartet, dass Svenya sich nicht halten konnte und, als er für einen Sekundenbruchteil auf dem Kopf stand, von der Drehgeschwindigkeit nach unten geschleudert wurde. Trotz ihrer Überraschung und Verärgerung gelang es ihr, sich in der Luft umzuwenden und mit den Füßen auf dem Boden zu landen – keine vier Meter von Wargo entfernt.
Wargo hatte sich gerade zurückverwandelt und grinste, als er sie fluchen hörte. Svenya funkelte ihn wütend an. So sehr sie ihn mochte, aber jetzt war ihr nicht nach seinem Grinsen zumute. Weshalb sie so aufgebracht war, konnte sie nicht so recht sagen – weil Hagen sie aus dem Kampf ausschloss oder weil sie sich Sorgen um ihn machte? Aber wieso zur Hölle sollte sie sich Sorgen um ihn machen? Hagen war ein jahrtausendealter Elbenkrieger, und wenn sie sich schon selbst zutraute, den Wyrm zu besiegen, wieviel sicherer musste er dann sein, den Kampf zu gewinnen?
Sie sah, wie Stjarn in Windeseile zu dem Wyrm aufschloss und Hagen genau im Pfad der Kreatur absprang. Etwa zwanzig Meter vor dem schluchtartigen Engpass. Sein Stab verwandelte sich noch im Sprung in den Doppelklingenspeer, und er stellte sich der Bestie breitbeinig entgegen. Seine Rüstung funkelte ihm schwachen Licht der Pilze und ließ ihn erscheinen wie einen finsteren Gott aus der Schattenwelt vor dem Eingang zur Hölle.
Hagen schleuderte den Speer, doch der Wyrm wich zur Seite aus und rannte weiter. Zu Svenyas großer Überraschung schlug der fehlgegangene Speer eine steile Kurve ein und kehrte dann ganz von selbst in Hagens offene Faust zurück.
Statt seinen Lauf zu verlangsamen, sprang der Wyrm nach vorne auf Hagen zu und schnappte mit seinen gewaltigen Kiefern nach seinem Kopf. Aber Hagen holte mit der freien Linken aus und versetzte dem Biest mit seiner metallbehandschuhten Faust einen harten Seitwärtshaken. Es krachte, als hätte jemand einen Vorschlaghammer auf einen Amboss aus Knochen geschmettert, und der Kopf des Wyrm wurde zur Seite geschleudert. Einer seiner riesigen Hauer flog zerschmettert durch die Luft. Nie hatte Svenya sich so viel Kraft in einem einzigen Schlag vorstellen können. Doch das Monster war nach dieser Attacke nicht einmal angeschlagen. Es wirbelte herum und schlug mit seinem Schwanz nach Hagen wie mit einer Peitsche. Hagen sprang ansatzlos darüber hinweg, lief den Rücken des Wyrm nach oben und hieb ihm den Speer auf die Schnauze, so als würde er eine Axt schwingen. Svenya sah die Spitze kurz aufleuchten, und dann hörte sie die Bestie brüllen vor Schmerz. Ihr eigener Speer war vorhin in der Höhle des Tors zerbrochen, aber Hagens Speer hielt. Und mehr als das – die Waffe hatte eine klaffende Wunde auf dem Nasenrücken des Wyrm hinterlassen. Wie mächtig musste der Zauber dieser Lanze sein, dass sie eine unverwundbare Kreatur verwunden konnte!
Der Wyrm bäumte sich auf und schleuderte Hagen von seinem Rücken. Dann versuchte er, an Hagen vorbei in die Schlucht zu eilen, doch der Elbengeneral tat einen enormen Sprung und landete wieder genau in seinem Weg. Aber etwas schien bei der Landung fehlgeschlagen zu sein, denn Hagen strauchelte und hatte Schwierigkeiten, die Balance wiederzuerlangen.
Zu spät!
Diesmal rammte der Wyrm ihn mit voller Wucht. Hagen wurde von den Füßen gerissen und landete krachend auf dem Rücken. Sofort stürzte der Wyrm sich auf ihn.
»Hagen!«, schrie Svenya, als sie ihn am Boden liegen sah, und wollte zu ihm rennen, doch Wargo hielt sie davon ab.
»Warte!«, sagte er.
»Lass mich los!«, rief sie und stieß ihn von sich. Von einem Wyrm zu Tode gequetscht – so durfte Hagen nicht enden. Nicht, wenn sie es verhindern konnte. Und sie fühlte, dass sie es konnte. Dass sie es musste. Schneller als je zuvor in ihrem Leben rannte Svenya zum Schauplatz des Duells. Der Wyrm schlängelte sich über den reglos am Boden liegenden Hagen hinweg, so als sei er gar nicht da.
Tonnenschweres, gepanzertes Fleisch – das konnte nicht einmal die magischste
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