Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
schneller.
Bumm-Bumm-Bumm!
Dann –
»Ihr habt sie gefunden?«
»Du wusstest, dass wir sie finden werden«, antwortete Hagen. »So wie du alles immer schon vorher weißt. Komm ans Gitter und zolle ihr deinen Respekt.«
Die Stimme lachte heiser und amüsiert auf. »Respekt? Schick sie zu mir herein, auf dass sie mir ihren Respekt zolle. Er wird mir auf der Zunge zergehen. Ebenso wie sie selbst.«
»Hüte deine Zunge lieber, wenn du nicht willst, dass ich sie dir herausreiße!«, rief Hagen grimmig.
»Wären deine Worte noch genauso mutig, wenn kein Gitter zwischen uns wäre und keine Ketten, in die ich geschlagen bin?«
»Ich habe dich schon einmal besiegt«, stellte Hagen kühl klar.
»Ja«, antwortete die Stimme. »Das hast du wohl. Aber das ist lange her. Damals war ich noch klein; und dennoch hat es dich dein Auge gekostet. Ob dir ein Sieg auch heute wieder gelingen würde? Schließlich bin ich inzwischen, na ja, sagen wir ein klein wenig gewachsen … und jetzt weiß ich immerhin, was ich alles zu verlieren habe … oder zu gewinnen.«
»Du würdest nicht gewinnen, Oegis«, sagte Hagen.
»Wollen wir wetten, Elb? Oh ja, komm – lass uns eine Wette abschließen. Wenn ich gewinne, erhalte ich die Freiheit zurück. Für immer.«
Jetzt lachte Hagen. »Und wenn ich gewinne?«
Die Stimme schwieg.
»Siehst du, Oegis«, sagte Hagen. »Du hast nichts zu bieten als Wetteinsatz.«
Da erschallte ein Brüllen, das so laut war, dass Svenya dachte, ihre Trommelfelle müssten reißen … und im nächsten Moment warf sich etwas Gigantisches auf das Gitter zu. Die schweren Ketten und Manschetten an Hals und Beinen verhinderten jedoch den Aufprall.
Es war – wie Svenya bereits befürchtet hatte – ein Drache!
Ein riesiger Drache. Bestimmt doppelt bis dreimal so groß wie die Art, die in Raiks Schriftrollen beschrieben war. Die riesenhafte Kreatur war nicht nur mindestens viermal so lang wie der Wyrm, den sie vorhin verfolgt hatten, sondern bestimmt auch zwanzigmal so massiv, breit und schwer. Allein der Kopf des Ungetüms war so groß wie ein Lkw.
Der Drache riss wütend an seinen Ketten und brüllte Hagen fauchend an. Doch der rührte sich keinen Millimeter, sondern schaute dem Ungetüm nur eiskalt in die granatrot leuchtenden, geschlitzten Augen.
Svenya hingegen war unwillkürlich drei Schritte zurückgesprungen.
»Sie ist klug«, bemerkte der Drache, hörte auf zu wüten und stand von jetzt auf gleich völlig still auf allen vieren. Er fixierte Svenya. »Sie hat Angst.«
Trotz des Schreckens, der ihr bis ins Mark gefahren war, konnte Svenya die Schönheit des Ungeheuers erkennen. Seine Schuppen – jede so groß wie der Schild eines Elbenkriegers – waren schwarz glänzend und von leichten roten Äderungen durchzogen; genauso wie der Dornenkamm auf seinem Rücken, der bis zur Schwanzspitze verlief. Seine gewaltigen, fledermausflügelartigen Schwingen hatte der Drache angelegt, aber Svenya konnte sehen, dass sie ebenfalls granatrot waren. Links und rechts der Augen wuchsen die geschwungenen Hörner eines Stiers und auf der Stirn dazwischen noch einmal zwei, die eher an die eines Steinbockes erinnerten. Hals und Schwanz waren lang und schlank und schlangengleich beweglich, aber sein Leib war breit und muskulös wie der eines Ochsen. Er saß auf vier mit scharfen, gebogenen Klauen bewehrten Beinen, die denen eines T-Rex ähnelten.
»Svenya, das ist Oegis«, sagte Hagen, und sie konnte erkennen, dass er trotz seiner Drohgebärden vorhin einen gesunden Respekt vor dem Drachen hatte. »Der Letzte der Drachen auf Midgard. Sohn von Fafnir, dem Umarmer, und Enkel des unvergessenen und heimtückischen Hreidmar, der sogar die Aesir Odin, Loki und Hoenir in Ketten schlug, um sie zu zwingen, die Schätze meines Vaters Alberich zu stehlen und sie ihm als Wergeld zu zahlen für seinen Sohn und Fafnirs Bruder, Otur, den sie erschlagen hatten.«
»Komm schon, Bruder Einauge«, sagte der Drache. »Der Schatz hat weder meinem Großvater noch meinem Vater Glück gebracht. Wie alle Welt weiß, hat Alberichs Fluch sie getroffen – und außerdem habt ihr das Gold schon lange, lange wieder. Svenya soll nicht glauben, dass ich damit irgendetwas zu tun hatte.«
»Dein Großvater trägt die Schuld daran, dass Loki die Dunkelelben zum Krieg gegen uns aufgehetzt hat, um an den Schatz zu gelangen. Seinetwegen sitzen wir hier im Exil fest«, knurrte Hagen.
»Und ich Zeit meines Lebens hier unten im Kerker«, fauchte
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