Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
war.
»Ein guter Trick«, sagte er mit Anerkennung in der Stimme. »Aber selbst wenn es dir gelungen wäre, mich damit hereinzulegen, wäre es mir gar nicht möglich gewesen, mich zu verplappern, denn ich darf dir die Antwort nicht geben, wenn du nicht direkt danach fragst. Verzwickt, nicht wahr?«
Svenya fluchte stumm in sich hinein. Nicht nur darüber, dass er ihren Trick durchschaut hatte, sondern vor allem, dass es ihm nicht möglich war, ihr die Wahrheit zu sagen, wenn sie nicht ausdrücklich danach fragte.
»Sei nicht wütend«, sagte Oegis. »Alberich ist ein Meister der Flüche. Weißt du, er ist älter als die Götter selbst … sehr viel älter …, und in einer solch langen Zeit lernt man durchaus den einen oder anderen Kniff. Aber auch wenn ich dir nichts über deine Vergangenheit sagen kann – über deine Zukunft könnte ich dir hingegen so manches verraten. Für einen gewissen Preis natürlich.«
»Wir gehen, Svenya«, sagte Hagen scharf.
»Siehst du, kleine Hüterin«, sagte der Drache triumphierend. »Sie wollen dich nicht nur über deine wahre Natur im Unklaren lassen, sondern auch über deine Zukunft.«
»Was immer er prophezeit«, sagte Hagen zu Svenya, »ist nur eine mögliche Zukunft. Denn die Zukunft ist nicht in Stein gemeißelt, und wir ändern sie mit jeder einzelnen Tat, die wir vollbringen.«
»Och«, machte der Drache höhnisch. »Das ist jetzt aber ein wenig wankelmütig – um nicht zu sagen doppelmoralisch – für jemanden, der so fest an das Schicksal glaubt wie du, Bruder Einauge.«
»Es ist …«, begann Hagen, aber Svenya schnitt ihm das Wort ab: »Was ist der Preis dafür, dass du mir meine Zukunft sagst?«
Wieder kicherte der Drache. »Im Grunde genommen ist es gar kein Preis «, sagte er ausweichend. »Wir beide würden nämlich ganz enorm davon profitieren.«
»Nenne ihn mir.«
»Svenya!«, knurrte Hagen warnend. Doch Svenya entschied sich dafür, ihn zu ignorieren.
»Nenne ihn mir!«
»Alberichs Kopf«, sagte der Drache und erhob sich zu seiner vollen Größe. »Bring mir Alberichs Kopf, und ich werde dir nicht nur deine Zukunft verraten, sondern auch deine Herkunft. Denn mit seinem Tod werden seine Flüche aufgehoben, und du wirst frei sein, jede Frage zu stellen, die du willst.«
Hagen lachte spöttisch. »Warum sagst du ihr nicht auch dazu, dass dann auch du frei sein wirst, weil seine Ketten und die Gitter dich nicht mehr halten werden, Drache? Und dass du versuchen wirst, sie zu töten, ehe sie die Frage auch nur stellen kann.«
»Ist das wahr?«, fragte Svenya das Ungeheuer.
Oegis zögerte.
»Komm schon«, sagte sie. »Du bist gezwungen, mir jede Frage zu beantworten. Also: Würdest du versuchen, mich zu töten, wenn ich dir Alberichs Kopf brächte?«
»Ich wäre durch unseren Pakt gezwungen, dir deine Zukunft zu nennen«, erwiderte er ausweichend.
»Ja«, sagte Hagen. »Und Du wirst sterben wäre der letzte Satz, den Svenya jemals hören würde.« Er wandte sich an Svenya. »Glaub mir, du darfst niemals einen Pakt mit einem Drachen schließen, hörst du? Nie! Er wird dich immer austricksen.«
»Stimmt das?«, fragte sie Oegis. »Ich frage dich ein letztes Mal: Hast du vor, mich zu ermorden, falls ich Alberich für dich töte?«
»Ja«, sagte er voller Leidenschaft. »Dich und jeden anderen verdammten Elben hier in Elbenthal. Auf dass ihr alle bezahlen möget für anderthalb Jahrtausende Gefangenschaft. Und dann wird der Schatz endlich mir gehören. Mir als seinem rechtmäßigen Erben, und ich werde die Herrschaft antreten über die Welt der Sterblichen. Ich werde nicht im Verborgenen leben wie mein Vater und mein Großvater. Nein, ich werde den Menschen Gott sein, und sie werden mich anbeten.«
Jetzt war es Svenya, die sagte: »Wir gehen.« Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und schritt davon. Sie hatte mehr gehört, als sie hatte hören wollen – aber nichts von dem, weswegen sie hierhergekommen waren.
26
»Ihr habt mir die Wahrheit über den Test versprochen«, sagte Svenya auf dem Weg vom Lift zu ihrem Palast.
»Kannst du dir nicht denken, was ich damit gemeint haben könnte?«, fragte Hagen ernst.
»Mein Test ist es, gegen Oegis anzutreten?«
»Der Test muss ein Kampf um Leben und Tod sein«, sagte er. »Nur so wirst du zur Hüterin.«
»Oder zu Drachenfutter«, sagte Svenya und versuchte, ihrer Stimme die Festigkeit zu geben, die ihren Beinen fehlte. Die Aussicht, diesem Ungeheuer im Zweikampf zu begegnen, machte ihr
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