Elbentod: Die Zwerge von Elan-Dhor 3 (German Edition)
waren abgemagert, und man hatte ihnen die Bärte bis auf einen winzigen Rest an Kinn, Wangen und Hals abgeschnitten, was für dieses stolze Volk eine besondere Demütigung darstellte, wie sie wusste. Außerdem wiesen sie Spuren von Misshandlungen auf: schlecht verheilte Platzwunden, Schwellungen im Gesicht und Striemen wie von Peitschenhieben.
»Was … was hat das zu bedeuten?«, stieß sie keuchend hervor. »Wer hat euch das angetan?«
Noch während sie sprach, begriff sie, was für eine dumme Frage das war. Es gab nur wenige, die Zutritt zu diesem Gebäude hatten, hauptsächlich die Magier, also brauchte sie nicht lange zu überlegen, wer dafür verantwortlich war. Sie erinnerte sich wieder an den Schrei, den sie vorhin gehört hatte, und ihr Zorn flammte noch heftiger als zuvor auf.
Nur wenige Zwerge reagierten überhaupt auf ihre Worte und machten sich die Mühe, einen flüchtigen Blick in ihre Richtung zu werfen, ehe sie wieder teilnahmslos vor sich hin starrten.
Thalinuel trat an das Gitter und umklammerte die Stäbe mit der Hand.
»Ich bin nicht hier, um euch zu quälen«, rief sie. »Im Gegenteil, wenn ich irgendwie kann, will ich euch helfen.«
Auch jetzt erzielte sie kaum eine Reaktion. Der Wille der Zwerge schien völlig gebrochen zu sein. Vielleicht hatte man sie schon zu oft durch unerfüllte Hoffnungen zusätzlich gefoltert, als dass sie noch irgendetwas glaubten, was ein Elb behauptete.
Schließlich jedoch trat einer der Zwerge vor und musterte sie durch die Gitterstäbe genauer.
»Ich bin Robur, und ich erkenne dich wieder«, sagte er. »Du warst kurz vor Abschluss der Bauarbeiten einmal kurz in Tal’Orin, und dir schien nicht zu gefallen, was du gesehen hast. Als es zu einem Unfall am Dach der großen Kuppel kam, hast du versucht, uns zu helfen.«
»Das habe ich«, bestätigte Thalinuel. »Und es hat mir in der Tat schon damals kein bisschen gefallen, was ich gesehen habe. Noch niemals zuvor haben wir Elben andere Völker zur Zwangsarbeit gepresst. Das wird ein ewiger Schandfleck in unserer Geschichte sein. Aber was ich jetzt hier sehe … Genau wie die meisten von uns hatte ich nicht die geringste Ahnung, was hier vorgeht. Der Zugang zu diesem Gebäude ist uns verboten. Man hat uns gesagt, dass alle Zwerge, die an der Errichtung Tal’Orins beteiligt waren, nach Abschluss der Arbeiten zu ihrem Volk zurückgeschickt wurden.«
Der Zwerg schnaubte verächtlich. »Das habt ihr geglaubt? Sieht das hier vielleicht so aus, als hätte man uns gehen lassen? Man hat uns zur Arbeit gezwungen, indem man drohte, unsere Frauen und Kinder zu töten. Und als Tal’Orin fertig war, hat man keinen Einzigen von uns frei gelassen. Eure Anführer fürchteten, wir könnten Einzelheiten über die Festung verraten, die euren Feinden nutzen würden. Die meisten von uns wurden ermordet, aber einige wenige ließ man am Leben, um eventuell notwendige Reparaturarbeiten durchzuführen. Vielleicht auch nur, um uns zu quälen, denn das scheint einigen von euch besonderes Vergnügen zu bereiten.«
»Ich werde dem ein Ende setzen«, stieß Thalinuel kochend vor Zorn hervor. »Ich weiß noch nicht wie, aber Molakan, Olvarian und die anderen, die dafür verantwortlich sind, werden für alles büßen, was sie euch und auch uns angetan haben! Denn auch wir wurden von ihnen betrogen, wie ich nun weiß.«
»Wenn du uns helfen willst, dann erlöse uns von diesem schrecklichen Dasein. Das ist der einzige Wunsch, den wir haben, dass dieser Albtraum endlich endet.«
»Nein.« Entschieden schüttelte Thalinuel den Kopf. Weitere Zwerge waren inzwischen näher getreten, und auch die übrigen hatten ihr zumindest den Kopf zugewandt und hörten sich an, was sie sagte, doch Hoffnung konnte sie in keinem der Gesichter erkennen. »Ich werde dem allen ein Ende bereiten, irgendwie. Dieser Entschluss stand schon fest, bevor ich herkam, um das Geheimnis dieses Gebäudes zu lüften.«
»Und wie willst du das anfangen? Willst du eure Führer stürzen und dich selbst an ihre Stelle setzen? Es würde nichts nützen. Dieser Ort ist durch und durch böse, und jeder, der sich länger hier aufhält, wird wie sie. Schon während der Bauzeit konnten wir miterleben, wie jeder aus eurem Volk sich zu verändern begann, der eine früher, der andere später. Du scheinst dem bösen Einfluss noch widerstehen zu können, aber bald wird er auch dich überwältigen. Töte uns, solange du es noch kannst.«
»Nein!«, stieß Thalinuel noch einmal hervor.
Weitere Kostenlose Bücher