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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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»Du bist in guter Gesellschaft. Ich kenne einige gestandene Ratsherren, die weiche Knie bekommen, wenn Glautas auf sie zukommt und droht, ein Gespräch anzufangen.«
    Die beiden Männer lachten, und Iviidis sah ein wenig erstaunt vom einen zum anderen. »Ihr scheint euch ja blendend zu verstehen – ich glaube, ich kann euch eine Weile allein lassen«, sagte sie. »Ich möchte noch einmal zurück ins Archiv.«
    Alvurkan breitete die Hände aus. »Geh ruhig«, sagte er. »Wir arbeiten beide mit Holz, ich denke, wir haben eine Menge Gesprächsstoff.«
    Olkodan nickte ein wenig zweifelnd. Iviidis küsste ihn auf die Wange und verabschiedete sich auch von Alvurkan.
    Alvurkan erhob sich, als Iviidis den Raum verlassen hatte. Olkodan stand ebenfalls auf und sah den anderen Elben fragend an. Der drehte mit einer geschickten Handbewegung seine langen dunkelblonden Haare im Nacken zusammen und steckte sie mit einer hölzernen Nadel fest. »Ich würde gerne in meine Werkstatt gehen«, sagte er und deutete auf eine schmale Tür. »Wir können uns dort genauso gut unterhalten. Außerdem wüsste ich gerne deine Meinung zu einem Stück, an dem ich gerade arbeite.« Sie gingen in einen kleineren, ebenso hellen Raum, in dessen Mitte eine Art lange Werkbank stand. Irgendwelches erkennbare Werkzeug konnte Olkodan nicht ausmachen. Auf dem Tisch lagen ebenso wie in dem Raum, den sie gerade verlassen hatten, viele Holzgegenstände in unterschiedlichen Stadien der Bearbeitung. Auf dem Boden standen größere Gegenstände, zumeist Skulpturen von Tieren und Elben.
    Alvurkan ging zu der Werkbank und nahm eine Schale in die Hand. Er reichte sie Olkodan, der sie ins Licht hielt. Er drehte die Schale in den Händen, bewunderte die feine, spiralförmig verlaufende Maserung, die durch die ebenmäßig bearbeitete Oberfläche wunderbar zur Geltung kam. Das Holz war so dünn, dass es das Sonnenlicht hindurchscheinen ließ.
    Er drehte die Schale um und fuhr mit den Fingern über die Rückseite. Dort ertastete er eine kleine Unebenheit, die er näher betrachtete. Eine winzige Erhebung störte die ansonsten seidenglatte Oberfläche.
    Alvurkan hatte sich halb auf die Werkbank gesetzt und lächelte. »Fast vollkommen«, sagte er. »Aber nur fast. Ich dachte, ich hätte das Stück sorgfältig ausgesucht, aber ich habe eine Unvollkommenheit übersehen, und das verdirbt mir nun die ganze Arbeit. Mein Auftraggeber ist sehr anspruchsvoll, er wird sie mir nicht abnehmen.«
    Olkodan hielt die Schale bewundernd in den Händen. »Sie ist dennoch wunderschön«, sagte er. »Ich wollte, ich verfügte über deine Fähigkeiten.«
    Alvurkan zuckte mit den Schultern und schob ein kleines Stück Holz auf der Werkbank hin und her. »Hast du es je ernsthaft versucht?«, fragte er. »Ich glaube, jeder, der gerne und gut mit Holz arbeitet, hat auch die Fähigkeit, es zu singen.«
    Er sah Olkodans erstaunte Miene und lachte. »Ich weiß, mit dieser Einstellung mache ich mir keine Freunde bei der Gilde der Baumsinger.« Er stand auf und ging zum Fenster, das in einen winzig kleinen, überwucherten Garten hinausblickte. »Du hast es sicher versucht«, sagte er.
    Olkodan seufzte leise. »Ich habe es versucht, natürlich.« Er nahm das Stückchen Holz in die Hand und drehte es sanft zwischen seinen Fingern. »Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich es nur ein klein wenig anders anstellen müsste, damit es gelingt. Aber es war immer nur ein Gefühl.«
    Alvurkan drehte sich nicht um. Seine Hände lagen ruhig auf dem Fenstersims. »Zeig es mir«, sagte er. Olkodan zögerte. Alvurkan drehte sich um und verschränkte die Arme. »Zeig es mir«, forderte er erneut. Seine Augen lächelten.
    Olkodan begegnete seinem Blick, dann zuckte er resigniert mit den Achseln und hob das Stück Holz vor sein Gesicht. Er betrachtete es von allen Seiten, prüfte es, betastete es mit den Fingerspitzen, und dann begann er leise zu summen.
    Alvurkan sah ihm aufmerksam zu. Dann trat er an Olkodans Seite, legte eine Hand um Olkodans Finger und die andere ganz leicht an seine Lippen. »Weiter«, sagte er.
    Olkodan schluckte. Dann holte er Luft und erneuerte seine Anstrengungen.
    Nach einer Weile nickte Alvurkan. »Pass auf«, sagte er. Er nahm ein anderes Stück Holz und hielt es zwischen den Fingerspitzen. Mit einem gehauchten Ton beginnend, drehte er das Stückchen in der Hand, verstärkte das Summen zu einem klaren Ton, ließ ihn wieder verhauchen und bewegte dabei das Holz unablässig zwischen seinen

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