Elbenzorn
Becher in der Hand, auf dem er ein großes Stück Brot balancierte. Der Elb hockte sich neben ihn und hielt ihm den Becher hin.
»Frühstück«, sagte er, als Lluigolf ihn verständnislos ansah. »Hast du keinen Hunger?« Er sprach mit einem vertraut gefärbten Zungenschlag.
»Du bist aus der Mark Raakus«, sagte er.
Der Dunkle neigte lächelnd den Kopf. »Ich bin dort aufgewachsen«, erwiderte er. Seine katzengrünen Augen funkelten aus dem braunen Gesicht. »Meine Pflegeeltern waren Bauern in der Mark.«
Lluigolf nahm ihm den Becher ab, den der Dunkle ihm immer noch geduldig hinhielt. »Ich dachte …«, sagte Lluigolf und unterbrach sich. »Natürlich. Ich bin dumm. Rutaaura ist ja auch bei Menschen aufgewachsen.«
»Wie viele von uns.« Der Dunkle zupfte lächelnd an Lluigolfs aufgekrempeltem Ärmel. »Passt nicht ganz. Ich habe Sungprat -Arme.« Er grinste.
»Du bist Wolken…späher?«
»Wolkensucher, ja. Es freut mich, dass ich dir helfen konnte.« Er warf einen Seitenblick auf die bunten Kleider, die neben ihnen lagen. »Du sahst wirklich schlimm aus.«
»Danke«, erwiderte Lluigolf, aber ein Lächeln huschte über seine Lippen.
»Du gehst nicht mit uns?«
»Ich wäre wohl fehl am Platz«, antwortete Lluigolf bitter.
Der Elb ließ etwas Sand durch seine Finger rieseln. »Es ist selten, dass sich ein Fremder zu uns verirrt. Die Älteste würde aber niemanden fortschicken. Glaube ich.«
Lluigolf sah ihn an. »Du bist auch noch nicht lange bei ihnen, oder?«
Wolkensucher verzog ein wenig das Gesicht. »Man merkt es, oder? Ich habe meinen Namen erst vor einem Umlauf bekommen.«
»Du bist jedenfalls noch ziemlich normal«, sagte Lluigolf. »Deine Leute machen mir eine Gänsehaut.«
»Sie sind ein bisschen seltsam«, gab der junge Elb zu. »Aber das kannst du da unten auch werden. Es ist verflucht einsam im Südlichen Karst.«
»Bist du glücklich bei deinen Leuten?«, fragte Lluigolf und dachte an Rutaaura.
»Ich hatte niemanden«, sagte der Dunkle leise. »Meine Pflegeeltern sind schon lange tot. Ich habe niemanden zurücklassen müssen.« Er zuckte mit den Schultern. »Lass sie gehen. Sie wird eine Zeit brauchen, um sich an alles zu gewöhnen, und dann kann sie entscheiden, was sie will. Niemand wird gegen seinen Willen festgehalten.«
Lluigolf seufzte. »Niemand könnte sie gegen ihren Willen festhalten, auch keiner von deinen Leuten. Das ist es nicht, was ich fürchte.«
Der andere nickte verständnisvoll. Dann ging er zurück zu den anderen, die inzwischen reisefertig waren.
Lluigolf sah, dass Rutaaura ein paar Worte mit dem Anführer der Dunklen wechselte und dabei zu ihm hinübersah.
Lluigolf fing ihren Blick auf und hob fragend die Hände. Sie winkte ihm, er möge warten, eine vertraut ungeduldige Geste, die ihn traurig stimmte.
Wenig später stapfte sie mit langen Schritten auf ihn zu und ließ sich neben ihm in die Hocke sinken. Ihre Augen musterten ihn aufmerksam und fragend.
»Ich kehre zurück«, sagte Lluigolf. »Ich denke, es ist besser so.«
Sie nahm seine Hand. »Ich werde mich melden. Ganz bestimmt. Schau nicht so unglücklich drein, Lluis.«
»Ich wünsche dir eine gute Reise«, sagte er schroff. »Und dass du findest, was du gesucht hast.« Er stand auf und blickte sich um. »Izayan!«, rief er. »Wartet auf mich, ich komme mit euch.«
Rutaaura stand noch eine Weile da und sah ihm nach, bis Sturmtänzer ein wenig ungeduldig nach ihr rief. Er saß bereits auf seinem Skrall und deutete auf Sonnenlied, die neben ihrem Tier stand und ihr zuwinkte. »Du reitest mit mir, kleine Schwester«, rief sie.
»Ich komme«, antwortete Rutaaura. Sie schüttelte die leise Trauer ab, die sich durch den übereilten Abschied von Lluigolf auf ihr Gemüt gelegt hatte, und hob erwartungsvoll den Kopf. Nach Süden, dachte sie. Nach Hause.
26
D ie Suche nach Iviidis blieb erfolglos. Olkodan hatte den Suchtrupp begleitet, der unter Broneetes Führung den näheren und später auch weiteren Umkreis des Hauses absuchte und danach alle Plätze kontrollierte, an denen Iviidis sich für gewöhnlich gerne aufhielt.
Das hatte geraume Zeit in Anspruch genommen. Irgendwann schickte Broneete ihre Leute fort, damit sie sich ausruhen konnten, und sprach Olkodan an. Er schrak zusammen, denn er war so in Gedanken, dass er kaum bemerkte, was um ihn herum vorging. »Was?«, fragte er.
»Du solltest dich auch etwas ausruhen«, wiederholte Broneete geduldig. Sie sah ihn an und drückte mitfühlend seine
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