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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Schulter. »Sei nicht so besorgt. Ihr wird schon nichts zugestoßen sein.«
    Olkodan rieb sich die Augen. »Ich habe Angst. Sie würde niemals einfach so weggehen, ohne etwas zu sagen.«
    Broneete erwiderte nichts. Sie sah sich um. Glautas hatte sofort, nachdem Olkodan ihm von Iviidis’ Ausbleiben berichtet hatte, die Garde alarmiert. Broneete leitete die Suchaktion, worüber sie bei aller Aufregung und Sorge um Iviidis auch ein wenig stolz war. Aber bis zum jetzigen Zeitpunkt hatten sie nichts, nicht den kleinsten Hinweis auf Iviidis’ Verbleib gefunden. Die Suchaktion wurde dadurch erschwert, dass wegen der heimtückischen Ermordung von Ratsfrau Laiima und ihrer Familie der größte Teil der Garde anderweitig gebunden war. Sie selbst hätte eigentlich nach zwei durchgearbeiteten Schichten endlich eine Pause einlegen müssen, aber Iviidis’ spurloses Verschwinden raubte ihr ebenso den Schlaf wie Olkodan.
    »Geh, ruh dich aus«, sagte Broneete noch einmal. »Wir werden weitersuchen, das verspreche ich dir. Ich gebe nicht auf, ehe ich sie nicht zurückgebracht habe.«
    »Was, denkst du, kann ihr zugestoßen sein?«, fragte Olkodan.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Aber wir werden sie finden, das weiß ich.«
    »Wenn sie noch lebt«, flüsterte Olkodan. »Ich habe Angst, dass jemand ihr etwas angetan hat. Du weißt doch besser noch als ich, was für einer seltsamen Verschwörung ihr auf der Spur wart.«
    Broneete schüttelte energisch den Kopf. »Das halte ich für ausgeschlossen«, sagte sie fest. »Du wirst sehen, es gibt eine einfache und harmlose Erklärung.« Sie verzog das Gesicht. »Vielleicht sollte ich Ratsherr Nekiritan einmal genauer befragen.«
    Olkodan horchte auf. »Nekiritan? Wieso ihn?«, fragte er scharf.
    »Er ist, hm, er war … also, er hat sich ziemlich um deine Frau bemüht«, antwortete Broneete verlegen. »Sie sind wohl alte Freunde oder so was.«
    »Oder so was, das will ich meinen«, knurrte Olkodan ärgerlich. »Er ist ein verdammter Schleimbeutel, dieser Nekiritan!«
    »Ich erstatte jetzt Glautas Bericht«, sagte Broneete. »Dann werde ich etwas essen, ich bin halb verhungert. Und dann suche ich Nekiritan auf, vielleicht weiß er ja etwas.«
    »Das will ich ihm nicht geraten haben«, erwiderte Olkodan.
    Broneete lachte über seinen müden Witz, froh darüber, dass er nicht mehr ganz so hoffnungslos dreinsah. »Was machst du?«
    »Ich gehe noch mal zum Archiv.« Er hob die Hand, um Broneetes Einwand zuvorzukommen. »Ich weiß, dass deine Leute dort alles auf den Kopf stellen und uns sofort benachrichtigen. Aber ich möchte mich gerne selbst umsehen.«
    »Tu, was du für richtig hältst.« Broneete rieb sich übers Gesicht. »Ich komme heute Abend vorbei und erzähle dir, was Nekiritan gesagt hat.«
    Olkodan lächelte, als er sich abwandte. Er hatte sich auf Anhieb bestens mit der Gardistin verstanden, und er freute sich darüber, dass Iviidis und sie schon fast so etwas wie Freundinnen geworden waren. Sein Lächeln schwand. Wo mochte sie bloß sein?
    Den Weg zum Archiv ging er mit schwerem Herzen. Gedankenverloren tasteten seine Finger über die Taschen seiner Jacke, fuhren dann in die Westentaschen, bis er auf ein leicht gezacktes, rötlichgelbes Blatt stieß, das spröde zwischen seinen Fingern knisterte. Olkodan betrachtete es verwundert – er hatte beinahe vergessen, dass Trurre es ihm vor seiner Abreise in die Hand gedrückt hatte. »Für Notfälle«, hatte er gesagt und gezwinkert. Olkodan atmete tief und hoffnungslos. Er hatte größere Angst um Iviidis, als er vor Broneete oder Glautas zugeben wollte. Broneete hatte zwar miterlebt, wie ihr Kommandeur gemeuchelt worden war, aber sie schien dennoch nicht ernsthaft daran zu glauben, dass hier im Herzen des Wandernden Hains einem Elben etwas zustoßen konnte. Ihm fehlte diese Zuversicht. Er hatte Angst.
    Olkodan hob das Blatt an die Lippen und hauchte es sanft an. Die Wärme seines Atems und sein Wunsch, es zu beleben, bewirkten die Magie, die es benötigte, das trockene Blatt in einen lebendigen kleinen Schmetterling zu verwandeln, der mit zitternden Fühlern und sacht schlagenden Flügeln auf seiner Hand saß. Olkodan gab ihm die Botschaft an Trurre ein und hob dann die Hand, um ihn auf seinen langen Weg nach Norden, in die Kronberge, zu schicken.
    Der rotgoldene Fleck verschwand taumelnd, aber zielstrebig zwischen den Baumwipfeln.
    Der Archivbaum ragte vor ihm auf wie eine Festung. Olkodan blickte ein wenig beklommen hoch. Er

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