Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
sich neben sie.
    Er erwachte davon, dass das Geräusch des Windes aufgehört hatte. Es war noch dunkel, aber am Horizont zeigte ein lichter Streifen das Nahen der Morgendämmerung. Rutaaura atmete leicht und ruhig, und sie hatte sich so tief in ihre Decke vergraben, dass er nicht einmal ein Haar von ihr erspähen konnte.
    Lluigolf kroch aus dem Unterstand und streckte die klammen Glieder. Er ging am niedergebrannten Feuer vorbei, um das die Dunklen in reglosem Schlummer lagen. Etwas abseits konnte er Izayan mit den Kindern sehen, die sich im Schlaf dicht aneinander drängten.
    Lluigolf ging ein paar Schritte in die Wüste hinaus. Der Himmel über ihm war sternklar und frostig und so still wie der Tod.
    Er vergrub seine Hände in den Falten des Burnus, den er sich übergeworfen hatte. Etwas zu lang war er ihm, wahrscheinlich gehörte er Rutaaura oder vielleicht sogar einem der Dunklen. Lluigolf schauderte, und es war nicht die Kälte, die ihn frösteln ließ.
    Rutaaura hatte endlich gefunden, wonach sie so lange gesucht hatte. Es stand fest, dass sie mit den Dunklen gehen würde, wohin auch immer sie sie brachten – ganz gleich, was am Ende auf sie wartete.
    Natürlich kannte auch Lluigolf die Schauergeschichten, die die Elben sich über ihre dunklen Geschwister erzählten. Er hatte immer darüber gelacht – bis heute. Aber nun war er den Schweigsamen begegnet und musste sich eingestehen, dass er sie fürchtete.
    Eine Hand berührte seine Schulter. Er fuhr herum, während er vergebens nach dem Messer griff, das er neben Rutaaura im Unterstand liegen gelassen hatte.
    »Ho«, machte eine Stimme beruhigend, als wäre er ein scheuendes Pferd. Die Hand hielt seinen Arm fest. Im Dämmerlicht konnte er die Züge des Gesichts nicht erkennen, aber es gehörte offensichtlich einem Mann, und zwar einem recht hochgewachsenen.
    »Warum läufst du hier draußen herum?«, fragte der Dunkle. Er schüttelte die Kapuze seines Burnus vom Kopf, und sein helles Haar leuchtete im Zwielicht auf wie der Mond, der zwischen Wolken hervorkommt.
    »Ich habe nachgedacht«, erwiderte Lluigolf.
    »Du bist unbewaffnet – das ist entweder sehr mutig oder sehr dumm.«
    Lluigolf verschränkte die Arme. »Ich kann mir denken, wofür du es hältst.«
    Der große Elb schnalzte mit der Zunge. »Du klingst feindselig«, sagte er. »Das ist bedauerlich. Ich dachte, jemand wie du urteilt ein wenig anders über mich und meinesgleichen.«
    »Ich habe keine Vorurteile. Aber ihr habt mich bisher nicht allzu freundlich behandelt – und da ihr mein Reittier in Gewahrsam habt, muss ich auch immer noch davon ausgehen, euer Gefangener zu sein.« Er schnaubte. »Ich kenne noch nicht einmal deinen Namen.«
    Der Elb trat einen Schritt zurück und verneigte sich anmutig. »Ich erbitte deine Verzeihung«, sagte er, und Lluigolf suchte in der Stimme vergeblich nach dem Spott, den er zu finden erwartete. »Man nennt mich Sturmtänzer.«
    Lluigolf erwiderte die Verbeugung nicht minder elegant. »Lluigolf, Rialinns Sohn, aus der Mark Raakus. Zu deinen Diensten, Sturmtänzer.«
    Beide lachten, und der Elb drückte kurz Lluigolfs Arm. »Du bist besorgt, das sehe ich«, sagte er. »Du weißt nicht, was wir für dich und deine Gefährtin bedeuten.« Er sah Lluigolf starr in die Augen, und der erwiderte den Blick, ohne zu blinzeln. »Du fürchtest, dass sie Leid durch uns erfährt«, sagte Sturmtänzer nach einer Weile. »Das erstaunt mich. Sie hat uns gesucht, und es war notwendig, dass sie zu uns findet.« Er schüttelte sacht den Kopf. »Sie hat noch keinen Namen, und solange sie den nicht erhalten hat, ist sie nicht vollständig.«
    Lluigolf sah ihn verständnislos an, aber der Dunkle wehrte die unausgesprochene Frage mit einer Handbewegung ab. »Wir werden sie mitnehmen nach Süden«, sagte er bestimmt.
    »Und was ist mit mir?«
    Sturmtänzer hob die Brauen. Über ihrer Unterhaltung war die Sonne aufgegangen, und Lluigolf konnte nun sein Gesicht im klaren Morgenlicht erkennen. Der Elb hatte breite Wangenknochen und eine Nase wie ein Raubvogel, seine Haut war so dunkel wie geöltes Ebenholz. Die beinahe farblosen Augen mit den goldenen Sprenkeln gaben dem Gesicht etwas Gespenstisches.
    »Was willst du?«, fragte der Elb.
    »Mit ihr gehen, denke ich«, erwiderte Lluigolf zögernd. Doch der Gedanke an eine Siedlung, in der nur Schattengestalten mit diesen unheimlichen Augen lebten, ließ ihm eine Gänsehaut wachsen.
    Rutaaura stand nur in Hose und ärmellosem Hemd über eine

Weitere Kostenlose Bücher