Elbenzorn
steckte mit einer schnellen Bewegung sein Messer in den Gürtel zurück und ergriff Rutaauras Hände. »Schön, dich zu sehen«, sagte er. »Wir haben uns schon Sorgen gemacht.«
» Du hast dir Sorgen gemacht«, warf Trurre ein. Der Unmut darüber, dass er nicht mitbekommen hatte, wie sein vermeintlich schlafender Gefährte sich versteckte, war deutlich zu vernehmen. »Friede, mein Alter«, sagte Lluigolf und klopfte dem Zwerg auf die Schulter. »Du hast wenigstens Wache gehalten, während ich schlief. Und ich habe von meinem verfluchten Vater immerhin auch das eine oder andere Talent geerbt, vergiss das nicht.« Die Elbin hatte ihr Geplänkel ruhig angehört. »Gibt es etwas, das ich wissen müsste?«, fragte sie und deutete mit einer kleinen Kopfbewegung auf das blaue Auge des Zwerges.
»Nichts von Bedeutung«, erwiderte Lluigolf. »Zwei betrunkene Raufbolde, die meinten, ein leichtes Opfer gefunden zu haben. Trurre hatte wie immer seine Axt nicht dabei.«
Der Zwerg schnaufte erbost, aber Rutaaura gebot mit einer Handbewegung Schweigen. »Hört zu: Ich muss unsere Pläne ein wenig ändern. Wir reisen vorerst nicht nach Süden weiter. Ich will erst hören, was meine Schwester herausbekommt.«
Lluigolf schnalzte mit der Zunge. »Ist das nötig? Wir könnten bis zum Sommer wieder hier sein, das wäre doch früh genug.« Rutaaura schüttelte den Kopf. »Wir wissen immer noch zu wenig. Die Goldlöckchen brauen eifrig eine Suppe, die nach Verrat stinkt, und ich will wissen, wer der Koch ist und wann und wo er sein Essen servieren wird.«
»Das wird deine Schwester alleine nicht herausfinden können«, wandte Trurre ein. »Womöglich bringt sie sich damit in Gefahr, hast du darüber mal nachgedacht? Und außerdem – was bedeuten für uns die Intrigengespinste im Sommerpalast?«
»Und was ist mit deiner verdammten Suche? Wir haben endlich eine heiße Spur, die weist klar nach Süden, und wenn wir jetzt hier zu viel Zeit vertrödeln, wird sie uns unter den Füßen kalt!«, fügte Lluigolf hinzu.
Rutaaura schwieg. Ihre Finger umkreisten unruhig einen glatten schwarzen Stein, den sie aus einer Tasche gezogen hatte. Endlich schloss sie ihre Finger darum zur Faust und atmete tief aus. »Also gut. Lluis, wir beide gehen nach Süden«, entschied sie. »Falls es mir überhaupt bestimmt ist, die Wanderer zu finden, dann wird es vielleicht dieses Mal endlich gelingen. Trurre – du reist für mich dem Wandernden Hain hinterher. Behalte die Lage ein wenig im Auge und pass auf Iviidis’ Familie auf. Vielleicht kannst du es sogar übernehmen, mit ihr Kontakt aufzunehmen, wenn sie wieder zu Hause ist. Sag ihr, dass ich später komme als verabredet.« Sie stand mit einer fließenden Bewegung auf und zog die Kapuze über, und augenblicklich verschmolz ihre hochgewachsene Gestalt wieder mit dem umgebenden Dunkel.
»Lluis, ich treffe dich morgen früh am Wegstein auf dem alten Pfad«, erklang ihre Stimme, dann war sie von einem Lidschlag auf den anderen verschwunden.
»Na, dann gute Nacht«, brummte der Zwerg, rollte sich in seine Decke, schloss die Augen und schlief ein.
»Eine gute Nacht auch dir, mein Freund«, erwiderte der Mensch und tat es ihm nach.
4
D ie Gardistin bahnte sich ihren Weg durch die farbenfroh gewandeten Elben, die ihr plaudernd und lachend entgegenkamen. Irgendwo schien mal wieder eins der vielen Feste stattzufinden, denn an einem normalen Tag liefen sonst selbst die Eitelsten der Goldenen nicht so prächtig herausgeputzt herum. Broneete schenkte ihnen wenig Beachtung. Sie war mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, und die waren unerfreulich. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass Vize-Kommandeur Vilius sie zur persönlichen Eskorte und Leibwache des Obersten Bewahrers abkommandiert hatte. Die anderen Gardisten waren weitaus älter und erfahrener als sie, und keiner von ihnen hatte den niedrigen Rang eines gewöhnlichen Gardisten – dieser Umstand machte ihr das Leben und den Dienst im Sommerpalast nicht unbedingt leichter. Dazu kam, dass sie sich als Hainelbin ohne Rang und Namen unter all den hochgestellten Goldenen im Sommerpalast immer ein wenig schäbig und minderwertig fühlte – worüber sie sich dann auch noch ärgerte, weil sie dieses Gefühl der Unterlegenheit als völlig unbegründet erkannte und trotzdem nicht vertreiben konnte.
Sie schnaubte laut, wütend über sich selbst. Sie sollte froh sein über ihre Versetzung in den Sommerpalast, die ja keineswegs eine Verschlechterung war, und
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