Elbenzorn
Sommersprossen war ganz offensichtlich keine Elbin. Broneete warf einen neugierigen Blick auf die Menschenfrau. Allzu häufig traf man selbst im Sommerpalast nicht auf menschliche Diener, obwohl einige Mitglieder des Adels es wohl für besonders vornehm hielten, nichtelbische Dienerschaft zu beschäftigen. Zu Glautas passte das allerdings nicht recht, sicherlich gehörte die Frau zum Gesinde seiner Gefährtin.
Die beiden schwatzenden Dienerinnen schwiegen nur kurz, als sie Broneete passierten, und die Menschenfrau deutete einen schnellen Knicks an. Broneete nickte unbehaglich und setzte ihren Weg fort. Sie hatte auch während ihrer Einsätze außerhalb des Wandernden Hains, so gut es ging, jeden Kontakt mit Menschen oder gar Zwergen zu vermeiden versucht. Das war ihr nicht immer gelungen, aber sie legte einfach keinen Wert darauf, sich mit Kurzlebigen oder Troglodyten zu verbrüdern. Es herrschte nun schon lange Frieden zwischen den Völkern der Berge und der Ebenen – aber es war ein oberflächlicher, leicht zu störender Frieden. Elben und Zwerge – das war eine zu lange Geschichte der Feindschaft und der Kriege, als dass ein paar ruhigere Jahrhunderte den alten Hass hätten auslöschen können.
Doch als sie durch den Eingang trat, verscheuchte sie alle Gedanken, die sich mit so unerfreulichen Zeitgenossen wie Zwergen oder Menschen beschäftigten. Die Sonne lachte von einem wolkenlos blauen Himmel, Zinaavija hatte ihr genau genommen den Nachmittag freigegeben – also würde sie jetzt schnell diesen Brief ausliefern und sich dann unters feiernde Volk mischen, das überall auf den Wiesen und Plätzen des Sommerpalastes sein Leben genoss.
Einer der kleinen Innenhöfe des Baum-Hauses diente Glautas als Refugium, und wenn er sich dort aufhielt, wollte er auf keinen Fall gestört werden. Der Tenttai saß auf der Bank, die aus dem Stamm eines alten Ahorns herausgesungen worden war, und war umgeben von einem Wust von Papier und Aufzeichnungskristallen – Akten, Notizen, Protokolle und Verlautbarungen. Trotz seiner unzähligen Verpflichtungen ließ Glautas es sich nicht nehmen, von Zeit zu Zeit den einen oder anderen Vorgang eigenhändig von der Wurzel bis zum Blatt zu prüfen.
Auf einem Hocker neben ihm stand außer der Tintenschale und einer silbergefassten Schreibfeder noch eine Schale mit Obst und eine geschliffene Karaffe, in der grünlich-goldener Traubensaft schimmerte. Der Oberste Bewahrer hatte sich offensichtlich für einen längeren Aufenthalt eingerichtet.
Zinaavija stand einige Atemzüge lang zögernd in der Türöffnung, bevor sie sanft in die Hände klatschte. »Entschuldige, dass ich dich störe«, sagte sie. »Aber du wolltest benachrichtigt werden, wenn deine Tochter eintrifft.«
Glautas hatte mit ungehaltener Miene aufgesehen, aber bei diesen Worten glättete sich seine Stirn, und er erhob sich. Sein weites dunkelgrünes Hausgewand fiel in lockeren Falten auf die weichen, mit kleinen Sonnen bestickten Pantoffeln nieder, er musste es ein Stück raffen, als er über einen Stapel mit Schriftstücken hinwegstieg.
»Sie wollte erst einmal auf ihre Zimmer«, berichtete Zinaavija und trat beiseite, um ihn durch die Tür zu lassen. Sie ließ den Vorhang fallen und beeilte sich, ihm zu folgen, denn er ging bereits mit großen Schritten voran. »Ich habe veranlasst, dass für uns alle im kleinen Frühstückszimmer ein Imbiss serviert wird.«
»Sehr gut«, rief Glautas über die Schulter zurück. »Sei so gut und gib Linnis Order, die Papiere in mein Arbeitszimmer zu schaffen. Sag ihm, ich werde mich erst heute Abend wieder damit beschäftigen.«
Die Bewahrerin kniff verärgert die rosigen Lippen zusammen. Es war ungehörig, wenn Glautas sie mit Aufträgen für seinen Sekretär losschickte, als wäre sie eine gewöhnliche Untergebene. Aber in diesem Fall konnte sie ihm den Fehltritt vergeben. Glautas hatte es eben eilig, seinen Enkel zu sehen.
Zinaavija zuckte gekünstelt mit den Schultern und lenkte ihre Schritte hinüber zu den Arbeitszimmern, um Linnis seinen Auftrag zu überbringen. Der Sekretär würde sich mit Sicherheit ein maliziöses Lächeln herausnehmen, aber Zinaavija wusste, dass eine angemessen eisige Miene und eine scharfe Bemerkung ihn auch sehr schnell wieder auf seinen Platz verweisen würden.
Als Glautas sacht mit den Knöcheln gegen den Türpfosten klopfte, hielt Iviidis gerade eines der höfischen Gewänder hoch, das er für sie hatte bereitlegen lassen. Ihr Gesichtsausdruck war
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