Elbenzorn
verstummt, aber der Lärm von Stimmen und allgemeiner Aufregung erfüllte immer noch die Luft.
»Dort entlang«, keuchte Broneete. Sie deutete auf einen kleinen Durchgang zwischen zwei hohen Buchsbaumhecken. Sie bogen in die schmale, düstere Passage ein.
Sie kamen genau am Ort des Geschehens wieder ans Tageslicht. Broneete orientierte sich kurz und lief dann zu einem Offizier der Garde hinüber, der im Gewühl stand und Befehle brüllte. Olkodan blieb, wo er war, und versuchte, das Geschehen zu begreifen.
Vor ihm stand ein Haus in Flammen. Elben liefen kopflos und panisch umher, und eine Reihe von Gardisten bemühte sich, trotz der dadurch verursachten Störungen das Feuer zu löschen. Eine Gruppe hatte sich um jemanden versammelt, der sich anscheinend aus dem brennenden Haus gerettet hatte. Olkodan trat zögernd näher heran und erkannte Nekiritan, der mit angesengten Haaren, beschmutzten und zerrissenen Kleidern und einer blutenden Kopfwunde auf einer Brunneneinfassung saß und wie betäubt auf sein brennendes Haus starrte.
Ein Elb, wahrscheinlich einer seiner Bediensteten, kümmerte sich um den verletzten Ratsherrn, und eine andere Dienerin versuchte, Nekaari zu beruhigen, die hysterisch schreiend neben ihrem Cousin stand.
Olkodan wandte sich an eine ältere Elbin, die neben ihm stand. »Was ist geschehen?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf und wischte sich über die Augen. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ihr Ewigen! Aber es ist schrecklich, schrecklich!«
Olkodan stimmte ihr zu. Das Feuer schien inzwischen unter Kontrolle zu sein, aber Nekiritans Haus war unbewohnbar geworden. Der Ratsherr erhob sich und schüttelte seinen Diener unwillig ab. Er ging auf sein Haus zu und verschwand im Eingang. Ein Gardist, der rußverschmiert, mit einem Wassereimer in der Hand, neben der Tür stand, lief hinter ihm her.
Der Offizier, der den Einsatz leitete, drehte sich zu der Menge um. »Wer hat gesehen, was hier geschehen ist?«, rief er laut.
Eine kleine Gruppe von Elben versammelte sich augenblicklich um den Offizier und begann, erregt auf ihn einzureden. Olkodan ging beiseite und näherte sich dabei Nekaari, die inzwischen aufgehört hatte zu schreien und nur noch leise weinend auf der Brunneneinfassung hockte. Sie suchte schniefend und vergeblich in ihrem Hauskleid herum, während ihr Mädchen händeringend auf das zerstörte Haus starrte, von dem immer noch dichter Qualm aufstieg.
Olkodan zog ein Tuch aus der Tasche und reichte es Nekiritans Cousine. »Es ist sauber«, sagte er leise.
Die Elbin schluchzte auf und griff danach, um sich die Augen zu wischen und etwas geziert die Nase zu putzen. »Danke«, sagte sie erstickt.
Olkodan hockte sich neben sie. »Ist dir etwas geschehen?«, fragte er.
Sie lachte auf und begann wieder zu weinen. »Nein«, sagte sie schluchzend. »Ich bin in Ordnung. Ne–Nekiritan – ist ver-verletzt …« Sie vergrub ihr Gesicht im weiten Ärmel ihres Hauskleids. Olkodan sah, dass dessen heller Stoff und die zarte Spitze mit Ruß- und Schmierflecken verunziert waren.
Zögernd legte er den Arm um Nekaari, dachte dabei an jedes Mal, das sie ihn herablassend behandelt oder schlicht links liegen gelassen hatte, und seufzte leise. Sie warf sich an ihn und barg den Kopf an seiner Schulter.
Nekiritan war von der Inspektion seines Hauses zurückgekehrt und gesellte sich zu dem Offizier, der noch immer geduldig den Leuten zuhörte, die ihn umringten. Olkodan konnte über dem Stimmengewirr hören, wie Nekiritan ausrief: »Das ist unerhört! Ich verlange, dass die Garde uns besser beschützt!«
Die meisten der Umstehenden stimmten mit lauten Rufen zu. Die Diskussion, die rund um den Offizier lief, wurde mit einem Mal deutlich hitziger. Er versuchte vergeblich, die aufgebrachte Menge zu besänftigen.
Olkodan sah, wie Broneete auf ihn zukam. Ein dicker Rußstreifen zog sich quer über ihre Stirn, und ihre Füße waren schlammig. Sie sah Nekaari an und zog eine Braue hoch. Olkodan grinste.
»Ratsherrin?«, sagte Broneete. »Ich habe den Auftrag, dich zu Glautas zu bringen – er lädt euch beide ein, bei ihm zu wohnen, bis euer Haus von der Gilde der Baumsinger wieder instand gesetzt wurde.«
Nekaari hob das rotgeweinte Gesicht von Olkodans Schulter, machte einen vergeblichen Versuch, ihre zerrupfte Frisur zu richten und erhob sich so würdevoll wie möglich. »Danke, Gardistin«, sagte sie. »Geleite mich.« Sie winkte ihrem Mädchen, das immer noch mit großen Augen um sich
Weitere Kostenlose Bücher