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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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eingelassen?«
    »Ich freue mich auch, dich nach so langer Zeit wiederzusehen«, sagte Ruta. »Es scheint dir ja blendend zu gehen. Wie laufen die Geschäfte?«
    Sie zog unaufgefordert einen Stuhl heran und setzte sich so hin, dass sie ihn gut im Blick hatte. Beide musterten sich eine Zeit lang schweigend. Als sie ihn kennengelernt hatte, glich Rookhan einem mageren, missmutigen Frettchen. Er hauste in einem schäbigen Schuppen in der Hafengegend, umgeben von Unrat und Gestank, und er wollte nichts weiter als diese Umgebung so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.
    Das war ihm gelungen. Das letzte Mal, das Ruta ihn getroffen hatte, lebte er schon in einem wohlhabenden Viertel im Osten der Stadt und bewohnte dort ein ansehnliches Haus – das aber in keinem Vergleich zu dem palastähnlichen Bau stand, in dem er jetzt residierte.
    Das gute Leben hatte seine Spuren hinterlassen. Von dem mageren Frettchen war nicht mehr viel zu sehen, inzwischen glich Rookhan eher einem zufriedenen alten Mops. Aber der Eindruck hielt nur so lange an, bis man ihm in die Augen über den weichen Hängebacken blickte. Der Blick war genauso scharf, hungrig und misstrauisch wie damals, als er sich aus dem Elendsviertel herausarbeitete.
    »Was willst du?«, fragte er. Seine Hand lag immer noch in der Nähe des Messers, und seine Finger, an denen eine verschwenderische Fülle von Ringen steckte, berührten mit einer deutlichen Geste den Griff.
    »Ich habe etwas zu verkaufen«, erwiderte Ruta. »Bist du noch im Geschäft?«
    Er antwortete nicht gleich. »Bleibst du länger in der Stadt?«, fragte er schließlich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich will weiter nach Süden.« Er nickte und verschränkte die dicken Hände vor dem Bauch. »Also gut, um der alten Zeiten willen. Was bietest du mir an?«
    »Das Übliche«, sagte Rutaaura.
    Rookhan blinzelte langsam wie ein Reptil. »Ich wusste nicht, dass du wieder mit den Stämmen zu tun hast.«
    Ruta zuckte mit den Achseln. »Vorübergehend«, erwiderte sie unverbindlich.
    Die hellen Frettchenaugen musterten sie scharf. Sie erwiderte die Musterung. Es erschreckte sie immer, wenn sie einen Menschen lange nicht gesehen hatte, wie schnell dieses Volk alterte. Ihr Aufenthalt bei den Stämmen lag erst einige Umläufe zurück, aber Rookhan war alt geworden in dieser Zeit. Und wenn sie nachrechnete, wurde ihr bewusst, dass sie ihre engsten Gefährten aus dem Volk der Sandläufer inzwischen wahrscheinlich im Kreis ihrer Enkel antreffen würde.
    Sie rief sich zur Ordnung. Rookhan das Wiesel war kein Gesprächspartner, in dessen Gegenwart man ungestraft seine Gedanken schweifen lassen durfte.
    »Gut«, sagte er. »Ich bin bereit, dir ›das Übliche‹ abzunehmen. Zum üblichen Preis.«
    Ruta hob die Brauen. »Der übliche Preis dürfte inzwischen um einige Dans höher liegen als damals«, gab sie zu bedenken. »Ich gehe davon aus, dass du mich nur im gewohnten Rahmen betrügst. Um der alten Zeiten willen, Rook.«
    »Um der alten Zeiten willen«, flüsterte Rookhan grimmig und fasste unwillkürlich an seinen Hals – dorthin, wo sich, wie sie wusste, verborgen unter den Fleischwülsten seines Doppelkinns, eine lange, wulstige Narbe quer über seine Kehle zog. »Du hast nichts mitgebracht«, sagte er.
    »Ich würde gerne morgen wiederkommen. Am Tag. Ich komme mit einem jungen Taywwa . Gibst du Bescheid, dass wir durchgelassen werden?«
    Er nickte und deutete auf die Wand hinter Rutaaura. »Läute nach meinem Diener.«
    Ruta griff hinter den Vorhang und ertastete eine Klingelschnur. Sie hörte nichts, als sie daran zog, aber kurz darauf öffnete sich die Tür. Die Augen des dunkel gekleideten Dieners weiteten sich erstaunt und auch ein wenig erschreckt, als er Rutaaura erblickte, aber er verneigte sich nur stumm und wartete.
    »Hol mir den Wachhabenden«, befahl Rookhan, ohne den Mann anzusehen. Der Diener verneigte sich erneut und verschwand.
    Eine Zeit lang herrschte Stille. Rookhan stand auf und ging zu einem kleinen Tisch in der Nähe der Tür, auf dem Gläser, einige Karaffen und ein Korb mit Naschwerk standen. Er nahm ein Glas und schenkte sich aus einer geschliffenen Karaffe Wein ein, ohne ihr ebenfalls etwas zu trinken anzubieten.
    »Dein Begleiter ist mir nicht unbekannt«, flüsterte er. »Er hat vor zwei Umläufen drei meiner besten Männer getötet. Ich würde vorschlagen, du lässt ihn morgen in eurer Herberge und kommst nur mit dem Taywwa , damit ich nicht in Versuchung gerate.«
    Ruta

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