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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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sein, dass du immer noch dieses Pferd reitest«, sagte sie leise, aber scharf. »Vater, du beleidigst damit gleichzeitig mich und deinen eigenen Verstand!«
    Seine Augen blitzten gefährlich. »Wer hier wen beleidigt, sollten wir lieber dahingestellt sein lassen«, erwiderte er nicht minderscharf. »Du wirfst dich an diesen Bauernlümmel weg, statt an dein Blut, an deine Familie zu denken. Das nenne ich im höchsten Maße pflichtvergessen!«
    Iviidis sprang auf. Die leere Tasse rollte von ihrem Schoß und zersprang am Boden. »Was wirfst du mir vor? Dass ich nicht so leben möchte wie Lootana und du – in höflicher Kälte nebeneinander her? Es kann dir doch nicht nur wichtig sein, dass ich standesgemäße Kinder werfe!«
    Glautas erhob sich ebenfalls, langsamer. Er hob die Hand und deutete auf seine Tochter, die zornsprühend vor ihm stand. »Du vergisst dich«, sagte er leise und grollend. »Du sprichst mit deinem Vater, nicht mit deinem Bettgenossen. Und ja – ich erwarte von meiner Tochter, dass sie die Belange der Familie über ihre eigenen kleinen Bedürfnisse stellt. Unsere Familie hat einmal die Könige …«
    »Ach, erspar mir dieses Gewäsch von den glorreichen Zeiten unserer Familie«, fauchte Iviidis. »Es kommt mir zu den Ohren heraus!« Sie fuhr auf dem Absatz herum und stürmte ins Haus, ohne zu beachten, dass Glautas hinter ihr herrief: »Ich möchte, dass wir uns heute Abend sehen. Wir haben Gäste, also trag bitte formelle Kleidung.«
    In ihrem Kopf summte und rauschte der weißglühende Zorn, am liebsten hätte sie etwas sehr Teures in kleine Stücke zertrümmert. Was war es, dass Glautas und sie sich regelmäßig dermaßen streiten mussten?
    Sie liebte ihren Vater, und er liebte sie, aber dennoch gerieten sie immer wieder aneinander. Es war gut, dass sie nicht mehr ständig in seinem Haus wohnte, und sie musste sich wirklich überlegen, ob sie sich nicht für die weitere Dauer ihrer Forschungen eine neue Bleibe hier im Sommerpalast suchen sollte – mit Olkodan. Wenn sie weiter im Hause ihres Vaters lebte, würde der Streit wahrscheinlich kein Ende nehmen.
    Alvydas wartete schon auf sie. Iviidis holte gleich den Schwarzbernstein aus seinem Futteral und begann mit den Vorbereitungen, während sie den Streit mit Glautas entschlossen aus ihren Gedanken verbannte. Der Stein fühlte sich schwerer an, und sein Kern leuchtete in einem tiefen Glutton. Iviidis staunte darüber, wie langsam die Aufzeichnung voranging. Eigentlich hätte sie schon vor drei oder vier Tagen beendet sein müssen, und Iviidis wäre längst damit beschäftigt, das Gesammelte zu sichten und zu ordnen. Wahrscheinlich lag das an Alvydas’ geschwächtem Zustand – seltsam war nur, dass der Strom der Erinnerungen ihr alles andere als dünn und tröpfelnd erschien.
    Sie vertrieb entschlossen alle Überlegungen aus ihrem Kopf und verband sich mit dem Stein.
    »Ich muss leider gleich wieder fort«, sagte sie, als sie später den Schwarzbernstein wieder in seine Umhüllung legte. »Glautas hat Gäste und wünscht meine Anwesenheit. Kann ich noch etwas für dich tun?«
    Alvydas lag schmal und blass auf seinem Lager. Seine Augen glänzten fiebrig. »Geh ruhig, Kind«, sagte er leise. »Mir ist es recht, wenn wir erst morgen miteinander reden. Ich werde jetzt schlafen. Mir ist, als würde ich mit jeder unserer Sitzungen ein wenig leichter …« Seine Lider flatterten und sanken herab.
    Sie hatte gerade noch Zeit genug, sich in eins der formellen Gewänder zu kleiden, wie es für einen solchen häuslichen Anlass vorgeschrieben war. Es war zwar nicht ganz so aufwendig und unbequem wie das höfische Prunkgewand, aber trotzdem hätte sie nach diesem bösen Streit vom Morgen und der durchwachten Nacht lieber ihr leichtes Hauskleid übergestreift und sich in einen der Innenhöfe geflüchtet.
    Iviidis runzelte die Stirn, während sie mit einem Strich dunkler Farbe sorgfältig ihre Augen umrahmte. Die geblümte Seide ihrer Ärmel strich raschelnd über das Schränkchen, auf dem der Spiegel stand. Sie zupfte ein paar Strähnen aus ihrem mit Kämmen zurückgesteckten Haar in die Stirn, musterte prüfend den Sitz ihres Ausschnittes und rückte noch einmal den gepolsterten Unterrock zurecht, der sich über ihren Hüften bauschte. Dann richtete sie die mantelähnlichen Rückenfalten ihres Überkleides, so gut das ohne Zofe ging, und zog ein Paar spinnwebdünner Handschuhe über.
    Als sie das große Gesellschaftszimmer betrat, waren die meisten der

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