Elbenzorn
Gäste, etwa zwanzig an der Zahl, schon eingetroffen. Glautas hatte zu einer zwanglosen Gesellschaft geladen, deshalb achteten alle darauf, Iviidis’ Eintreten nur beiläufig mit einem Nicken oder einem Winken zur Kenntnis zu nehmen.
Glautas stand in einer Ecke des Raumes und hörte mit gerunzelter Stirn zu, wie Kommandeur Horakins Nachfolger Vilius ihm etwas berichtete. Iviidis hätte gerne zugehört, aber Glautas’ Blick, der sie traf, sprach keine Einladung aus, sich ihnen zu nähern.
Sie sah sich suchend um, ging langsam durch den hell erleuchteten Raum, lächelte und hob den Fächer zum Gruß und gesellte sich schließlich zu ihrer Freundin Vinoota, die mit einem Ratsmitglied plauderte und dabei ein Glas grünlichen Wein in den eleganten Fingern hielt.
»Ah, Ivii. Du siehst bezaubernd aus«, begrüßte Vinoota sie und hauchte zwei Küsse in die Luft. Iviidis erwiderte das Kompliment und nahm ein Glas von dem Tablett, das ein Bediensteter ihr hinhielt. Vinoota wandte sich wieder ihrem Begleiter zu. Er war hochgewachsen und hatte die perlige Haut eines Goldenen aus einer der alten Familien. Iviidis kannte ihn flüchtig, er kam manchmal, um mit Glautas Ratsangelegenheiten zu besprechen. Vinoota tippte ihm mit dem Fächer gegen die Schulter. Der Elb lächelte ein wenig verlegen. »Gintaris hier behauptet, dass der Rat unsere Grenze für alle anderen Völker sperren will«, sagte sie.
Iviidis sah den Elben fragend an. »Stimmt das? Es kann doch ohnehin nicht jeder herein. Ich weiß, dass die menschlichen Händler, die zum Beispiel auf den Markt in Grünau wollen, dafür eine Einladung benötigen und dass an diesen Tagen die Grenze immer nur für kurze Zeit passierbar gemacht wird.«
»Das stimmt zwar«, sagte Gintaris, »aber Menschen als weitgehend magieblinde Geschöpfe sind nicht die Gefahr. In den meisten Fällen können sie den Hain ohne Hilfe nicht einmal finden. Nein, unsere Überlegungen betreffen Zwerge und andere magiebegabte Völker.«
Iviidis verzog ungläubig den Mund. »Zwerge – magiebegabt?«, sagte sie. »Soviel ich über dieses Volk weiß, ist ›Magier‹ für sie ein Schimpfwort.«
Der Ratsherr lachte gedämpft. »Das ist richtig. Ich habe mich ein bisschen mit den Unterirdischen beschäftigt – eine kleine Marotte von mir –, und es ist wirklich so, dass sie Magiebegabte aus ihrer Gesellschaft ausschließen, wenn denn mal ein Zwerg überhaupt das Pech hat, mit magischen Fähigkeiten geboren zu werden. Aber darum geht es nicht – das Volk der Zwerge an sich ist magisch, und deshalb sind sie auch in der Lage, unsere Grenze zu überschreiten. Wie erkläre ich das?« Er blickte sich hilfesuchend um. Vinoota klopfte ihm energisch auf den Arm.
»Gintaris, sei kein Langweiler! Wir haben begriffen.«
Der Ratsherr sah zwar ein wenig enttäuscht drein, dass man ihm nicht erlaubte, weiter sein Steckenpferd zu reiten, aber wechselte gehorsam das Thema. Iviidis bemerkte die anbetenden Blicke, die er Vinoota schenkte, und verbarg ein Lächeln hinter ihrem Fächer. Vinoota neigte ihm anmutig den Kopf entgegen, und beide waren für ihre Umgebung vorerst verloren.
Iviidis entfernte sich diskret ein paar Schritte und ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen. Stimmengewirr, gedämpftes Gelächter und das leise Klirren von Gläsern hing in der Luft. An der Tür stand Nekiritan, der gerade eingetreten war, und beugte sich über die Hand Zinaavijas, die lächelnd etwas zu ihm sagte.
Iviidis ertappte sich dabei, dass sie die Gefährtin ihres Vaters durchbohrend anstarrte, und wandte hastig den Blick ab.
»So geistesabwesend, liebste Freundin?«, erklang eine Stimme hinter ihr.
Sie wandte sich um und begegnete dem Blick Alvurkans. Sie begrüßte ihren alten Freund mit echter Freude. »Wo ist Riikarja?«, fragte sie.
Alvurkan zuckte bedauernd mit den Schultern. »Sie besucht gerade meine Familie«, sagte er. »Du weißt schon, das ganze offizielle Theater, das immer vor einem Versprechen stattzufinden hat.« Er nippte an seinem Glas und blickte sich müßig um. »Vermisst du deinen Mann eigentlich nicht?«, fragte er dann unverblümt.
Iviidis sah ihn verblüfft an. »Doch, schon. Warum fragst du?« Er hob die Schultern und lächelte. »Ich habe mich damals auf eurer Hochzeit mit ihm unterhalten und mochte ihn sehr gerne. Ich habe es bedauert, dass ihr dem Sommerpalast danach so schnell den Rücken gekehrt habt.«
Iviidis schüttelte den Kopf. »Mit dieser Meinung stehst du ziemlich alleine da«,
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