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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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nachdem du gegangen bist.«
    »Und sie ist in Tante Oddlaugs alte Wohnung in den Witwentrakt gezogen«, murmelte Trurre. Sein Gesicht war zerfurcht.
    Torill blieb wieder stehen und wandte sich zu ihm um. Sie packte seine Arme und schüttelte ihn sacht. »He, Bruder, ich kenne dich. Aber du bist verrückt, wenn du dich auch noch deshalb schuldig fühlst. Mutter und Vater haben schon seit Torfinns Tod nicht mehr viel miteinander geredet, und ich kann Mutter gut verstehen!« Sie ließ ihn los und ging weiter.
    »Du sprichst schließlich auch noch mit ihm.«
    »Mir bleibt ja auch nicht viel anderes übrig«, sagte Torill praktisch.
    Sie bogen um eine Ecke und betraten einen Gang, der steil abwärts führte. Es war mehr ein Stollen als ein Gang, die Wände waren grob behauen und schimmerten leicht feucht. Das hier war der älteste Teil der Festung, und hinter ihm lag nur noch das alte Bergwerk.
    Ein Zwerg, der ihnen entgegen kam, musterte sie kaum, grüßte Torill flüchtig und war schon halb an ihnen vorbei, als er mit einem Ausruf der Verwunderung herumfuhr.
    »Orrins Bart und alle seine Läuse! Der alte Hexenmeister ist wieder da!«
    Trurre hob schon die Hand, um dem Spötter eine Antwort zu schicken, die er nicht so schnell vergessen würde, aber als das Licht der Fackel über seinem Kopf auf das Gesicht des Zwerges fiel, ließ er den Arm sinken und lachte. »Kjetil Einauge. Ich dachte, du wärst im Süden!«
    Der Zwerg grinste breit. Er hatte einen runden, beinahe kahlen Schädel und trug die spärlichen Reste seines weißblonden Haares neben der kahlen Stirn zu zwei dünnen Zöpfen geflochten. Auch sein Bart war schütter wie der einer Ziege. Sein wettergegerbtes Gesicht war durch eine wulstige Narbe verunstaltet, die sich breit und rot über die Stirn zog, unter einer Augenklappe verschwand und auf der Wange wieder auftauchte. Sie zog einen seiner Mundwinkel nach oben, was dem Gesicht etwas Verschlagenes gab.
    »Du wolltest doch ein Schiff finden, mit dem du so weit segeln kannst, bis du den Horizont berührst – was hat dich aufgehalten?«
    »Ich hatte Heimweh«, sagte der narbige Zwerg. »Keine nennenswerten Berge da unten. Salzige Luft und seltsame Leute. Und Wasser ist einfach keine Umgebung für unsereins, jedenfalls nicht auf Dauer. Auch wenn es viele schöne Gelegenheiten gegeben hat, seine Axt scharf zu halten.«
    Er sah über seine Schulter und beugte sich vertraulich näher. »Bleibst du jetzt hier?«, fragte er im Flüsterton. »Wäre gut, Trurre. Nichts gegen den König – oder seine Beraterin«, fügte er hastig hinzu und verbeugte sich vor Torill, die sich vergeblich um eine ernste Miene bemühte. »Aber wenn ich dieses Hammerstirn-Gesocks herumstolzieren sehe, als gehörte ihnen der Laden, bekomme ich das Kotzen. Verzeihung, junge Zwergin«, fügte er eilig hinzu.
    »Du solltest besser aufpassen, wo und zu wem du so etwas sagst, Kjetil Einauge«, bemerkte Torill in strengem Ton, den allerdings das amüsierte Funkeln ihrer Augen Lügen strafte.
    Kjetil zwinkerte ihr mit seinem verbliebenen wasserblauen Auge verschwörerisch zu. Dann hieb er Trurre die Hand auf die Schulter, dass der kleinere Zwerg leise aufstöhnte. »Hör zu, alter Dachs. Heute Abend treffen sich ein paar von den Jungs unten im ehemaligen Schacht Sieben. Wir trinken auf die guten alten Zeiten und singen ein paar Liedchen. Kommst du?«
    Trurre zögerte. Dann nickte er. »Ich komme, Kjetil. Aber ich reise bald wieder ab – also werde ich eure Liedchen nur mit halbem Herzen mitsingen.«
    »Das ist egal«, erwiderte der Zwerg. Sein Blick war scharf und kühl. »Jeder, der auch nur die eine oder andere Strophe mitsingt, ist willkommen und nützlich.« Er verbeugte sich kurz, aber tief vor Torill und verschwand mit hallenden Schritten um die Biegung des Ganges.
    Torill sah Trurre mit emporgezogenen Brauen an. »Kaum wieder da, triffst du dich gleich mit den Rädelsführern der Revolution?«, sagte sie neckend.
    »Ach, du kennst Kjetil doch. Viel Lärm um nichts.«
    Aber Torills Gesicht war nachdenklich, als sie die Tür zu ihrem Zimmer aufschob. »Da wäre ich mir nicht so sicher«, murmelte sie.
    Das Gemach war anheimelnd und gemütlich eingerichtet, mit bequemen Sesseln, dicken Teppichen auf dem Boden und an den Wänden, und es begrüßte die Eintretenden mit einem prasselnden Feuer im Kamin und einem schweren Eichentisch voller Leckereien aus der königlichen Küche.
    Torill deutete auf einen der Sessel neben dem Kamin und

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