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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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durchquerte das Zimmer, um durch eine Tür zu verschwinden, die hinter einem Wandteppich verborgen war. Trurre schenkte sich Wein in einen Pokal ein und ließ sich mit einem Seufzer des Behagens in den weichen Sessel fallen. Er streckte seine Beine zum Kaminfeuer aus und trank einen herzhaften Schluck. »Fein«, sagte er anerkennend zu niemandem und stellte den Pokal neben sich auf den Boden. Trurre faltete die Hände auf dem Bauch, blickte versonnen in das Feuer und gähnte.
    Als Torill wieder hereinkam, schlief er fest. Sie wandte sich um und legte einen Finger auf die Lippen. Eine ältere, in schlichte, dunkle Wolle gekleidete Zwergin, die hinter ihr eingetreten war, nickte und hockte sich auf einen Schemel neben dem Kamin. Sie nahm ein Strickzeug aus ihrer Schürze und legte es in ihren Schoß. Aber statt zu stricken, betrachtete sie den schlafenden Trurre mit einem schwer zu deutenden Ausdruck in den braunen Augen.
    Im Kamin zerbarst knackend ein Holzscheit und schickte einen Regen von Funken empor. Trurre schrak hoch. »Was?«, murmelte er und rieb mit der Hand über sein Gesicht. Er rappelte sich aus seiner zusammengesunkenen Position hoch und bemerkte jetzt erst die Zwergin, die immer noch ruhig neben ihm saß.
    »Mutter«, rief er überrascht.
    »Mein Sohn«, erwiderte sie zurückhaltend.
    Trurre zögerte, dann umarmte er sie kurzentschlossen, doch sein Gesicht zeigte, dass er mit einer Zurückweisung rechnete.
    Aber die Zwergin ließ es nicht nur geschehen, sondern legte ihrerseits die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. Eine Weile lang hockte Trurre vor ihr und verbarg sein Gesicht an ihrer Schulter. Als er schließlich den Kopf hob, waren seine Augen feucht, aber er lächelte.
    »Du hast dich verändert«, sagte die Zwergin. »Da ist Härte in deinen Zügen.« Sie strich mit sanften Fingern über sein Gesicht.
    »Ich bin eben kein naiver junger Zwerg mehr, der glaubt, dass alles schon gut wird, wenn er nur brav ist«, sagte Trurre.
    Seine Mutter betrachtete ihn aus braunen Augen, die den seinen ähnelten. Trurres Vater hatte Oddveig Weißhand, die mittlere Tochter des Groß-Jarl Frodegeir, damals voll Stolz nach Hause geführt und immer geschworen, sie sei die schönste Zwergin des gesamten Östlichen Feuergebirges. Ihr rotblondes Haar war inzwischen von weißen Strähnen durchzogen, aber ihr Gesicht war immer noch so schön wie das einer jungen Frau. Nur ein paar kleine Fältchen zwischen den Augenbrauen und in den Mundwinkeln deuteten auf Trauer und verborgenen Zorn.
    »Kommt, lasst uns essen«, rief Torill. Sie schob einladend die Stühle zurecht und schenkte Wein in die Pokale.
    Trurre aß wenig und schob schon nach kurzer Zeit seinen Teller fort, und auch Torill stocherte nachdenklich mit ihrem Messer auf ihrem Teller herum, mit ihren Gedanken offensichtlich weit fort. Oddveig hatte nur etwas Obst gegessen und dabei kaum einen Blick von ihrem Sohn gewandt.
    »Also erzählt mir endlich, was eure Herzen beschwert«, sagte sie schließlich.
    Torill seufzte und hob den Blick. »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte sie. Sie blickte auf ihren Teller, überrascht, dass sie ihr Essen kaum angerührt hatte. Zerstreut schnitt sie ein Stück von einer Bratenscheibe ab, steckte es in den Mund, kaute und deutete gleichzeitig mit ihrem Messer auf Trurre. »Du willst gleich wieder fortlaufen und mich mit den Schwierigkeiten hier alleinlassen, gib es nur zu. Seit der Audienz sitzt du im Geiste sowieso schon wieder im Sattel.«
    Trurre schnaufte hörbar durch die Nase. »Du hast unseren König vernommen«, sagte er säuerlich. »Ich bin hier nicht gelitten.«
    Oddveig schlug mit der Hand auf den Tisch. »Du redest wie ein beleidigtes Kind«, sagte sie scharf. »Du bist mein Sohn. Mein Sohn läuft nicht greinend fort, nur weil jemand ihm sagt, dass er ihm nicht willkommen sei. Das habe ich dir damals schon übel genommen!« Sie funkelte ihn an.
    Trurre wurde rot und wieder blass. »Mutter, du vereinfachst die Sache ein wenig«, sagte er beherrscht. »Ich bin nicht einfach ›davongelaufen‹, wie du es nennst. Der König und sein Rat der Noblen haben mich offiziell verbannt – und ich hätte genau genommen auch heute keinen Schritt in die Festung tun dürfen. Ich riskiere, dass man mir Hände und Füße abhackt und mich in die Drachenkluft stürzt.«
    »Ach, Papperlapapp«, sagte die alte Zwergin. »Solange ich hier noch ein Wörtchen mitzureden habe, landet der orrinverflucht einzige Sohn, der mir

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