Elchmus (German Edition)
dem heißen Wasser schweigt und verbrüht gerade niemanden. Die Lichtanzieh-Strippe ist mehr als vergilbt und aus der Toilette gluckst es unheimlich.
„Boh, was für ein Saustall“, sagt einer der Typen . „Ich bin gerade erst eingezogen. Ist meine erste Woche hier!“, rechtfertigt sie sich vor den Entführern und gibt schon wieder viel zu viel von sich preis. Sie zittert vor Angst und Dummheit. Herr Kessner ist allerdings auch endlich gestorben.
„ Das Studio hier geht gar nicht“, sagt der Typ, der ihr im Auto die fiesen Blicke zugeworfen hat. „Boh, ich kotze gleich“, bestätigt der andere da auch schon.
„Oh Mann, was machen wir denn nun? Wir sind völlig am Arsch? Die Tusse hat uns doch gesehen “, sagt er mehr als hilflos.
„ Schaffen wir sie erstmal weg von hier! Wir fahren einfach woanders hin“, sagt der andere. Er will und wird sie nackt sehen. Wieso hat er so eine Frau nie in seinem Leben getroffen?
Elke s Leben ist kein bisschen langweilig. London gaukelt einem nur vor, dass das Leben hier grandios ist. Es ist gefährlich hier. Das Münsterland dahingegen verspricht gepflegte Langeweile. In London darf man trotzdem geboren sein und auch sterben. Im Münsterland ist das verboten. Da muss man mal raus.
Ihr Studio hat nicht mal einen Parkplatz. Das Auto steht in einer Nebenstraße vo n der Mile End Road. Parkgebühren fallen hier immerhin keine an. Trotz Zentrumsnähe.
D as Zimmer, besser gesagt der stillgelegte Kamin mit den eingestaubten Rillen links, die Tür rechts, das Schiebefenster ohne Doppelverglasung, der ganze Dreck... All das hat sich regelrecht in ihr Gehirn eingemeißelt.
Wenn alles anders gelaufen wäre, hätte sie sich das Appartement gemütlich gemacht und das Fenster geputzt und mit Isolierband abgedichtet. Den Gasherd mit dem Grillaufsatz eingeweiht. Herausgefunden, dass in den Wasserkocher 3 Pintgläser Wasser passen. Und die Haare nie richtig von der Seife befreien können , denn eine Mischbatterie für das Wasser gab es hier nicht.
H ätte, hätte, Herrentoilette.
Bad und Toilette auf dem Flur wurden von mehreren genutzt. Geputzt? Von wem? Vielleicht kommt gleich einer. Dann muss sie sich bemerkbar machen.
Sie sollte jetzt mit Mick vor einem Pub stehen und Bier in sich hineinkippen. Sich auch eine Comedy im Paradise mit ihm anschauen. Aber selbst in dieser Situation kann sie sich das nicht vorstellen. Es klappt einfach nicht.
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............Bradwell-on-Sea liegt ungefähr 2 Stunden von hier entfernt. Im Grunde ist die Idee dumm, ist es doch ein kleines Dorf an der Küste in Essex und ihm fällt eigentlich nur die Chapel (Kapelle) als Versteck ein.
Elke trägt noch immer keine Schuhe. Schaut sie auf die Blase an der Ferse, zieht sich ihr Magen noch immer nach innen zusammen. Sie lehnt ungemütlich mit dem Rücken an der Wand.
Die Rillen des Gaskamins sind total verdreckt. Der Teppichboden hat zahlreiche Flecken und in seinem Leben definitiv schon vieles geschluckt. Selbst die Holzdielen darunter müssten vor Dreck nur so knarzen. Da ist die Lampe mit noch mehr eingefressenem Dreck und toten Viechern drin. Sie riecht den Teppich muffeln. Mince pie ist kein Pfefferminzkuchen (auch nicht bei den Simpsons) und riecht auch nicht nach Minze. Auch nicht nach englischer. Aber Gammelfleisch riecht schlechter.
Sie wird hier lebend rauskommen. Das weiß sie einfach. Trotz dieser dämlichen Gedanken.
„Wir fahren jetzt“ , lautet die einfache und klare Ansage. Jemand greift ihre Hand. Diese ist ganz warm und fühlt sich auch noch gut an. Und so steht Herr Kessner wieder auf. Dabei war doch noch gar nicht Weihnachten oder Ostern. „Los“, dringt die fremde Stimme zu ihr durch.
Draußen ist es noch immer warm. Ganz weit im Hintergrund aus Angst und Verkehr erklingt das Auf und Ab von Sirenen.
Der eine Typ schiebt sie ins Auto. Elke legt den müden Kopf ans Fenster, während Hip Hop aus dem Radio dröhnt und sich langsam den Weg in ihr Gehirn freimacht. Zuerst langsam, dann mit voller Wucht. Sie fühlt sich alt und hilflos. Zu laut. Das Radio spielt viel zu laut. Der Typ am Steuer fährt und beobachtet sie ununterbrochen. Sie spürt seine Augen noch tief im innersten ihrer Gallenblase.
Der andere Typ chillt neben ihr auf der Rückbank. Ihre Schuhe liegen achtlos vor ihren Füßen und ihre Füße liegen schwach auf dem auch im Auto kratzenden Teppichboden. Ihren Knien fehlt jegliche Kraft. Auch im Sitzen. Sie hat definitiv ein Teppichboden-Traumata in England
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