Elchmus (German Edition)
sich noch kein englisches Handy gekauft oder ihr deutsches dabei? Und drei paar Schuhe stattdessen zugelegt? Sie atmet tief durch. Die Beule am Kopf pocht. Die Blase an der Ferse zuckt auch wieder und der Schmerz beendet ihren Gedankengang.
Niemand weiß, wo sie ist. Sie hat noch keine neue private Telefonnummer. In der zweiten Woche im neuen Job wird sie auch noch niemand im Büro anrufen. Niemand wird eine Nachricht für sie hinterlassen und sich irgendwann Sorgen machen, dass sie nicht zurückruft. Niemand wird sehen, dass ihre Inbox bei den E-Mails nie abgerufen wird. Ihr schwaches Geklopfe mit den Fäusten hört zurzeit auch keiner.
Draußen zwitscherten schon wieder die Vögel. Oder immer noch? Es war auf jeden Fall nicht mehr dunkel. Alles schmerzt mittlerweile. Poch, poch macht es nun auch im Knie. Das ist echt so eine Sache mit den Blasen. Mühsam setzt sie sich auf.
Gerade geht so ziemlich alles in ihrem Leben mehr als schief.
In der Firma munkelten derweil die meisten, Elke hätte sich aus dem Staub gemacht. Es herrscht Einigkeit darüber, dass sie unzufrieden mit ihrer Arbeit war. Immerhin ist sie nur einmal abends mit ausgegangen. Und das ist so wichtig wie die Arbeit. Nein, wichtiger. Malcolm glaubt, dass sie einfach nicht wiederkommt. Probezeit heißt schließlich auch keine Kündigungszeit. Shaun glaubt das nicht, schätzt eher, dass sie verschlafen hat. Ist schließlich viel für so ein junges Ding in einem neuen Land und das bei dem ganzen Bier over here. Spricht aus eigener Erfahrung. Kommt ja selbst aus Australien.
Mick erzählt währenddessen die Highlights vom gestrigen Pub-Abend als wäre nichts gewesen und nach wie vor nichts wichtiger als sein Leben in der Kneipe. Jo-Anne zieht sich gerade ihre Lippen nach.
All dies kann Elke aber heute nicht sehen. Panik kriecht in ihr hoch. Keiner wird sie in den nächsten Tagen vermissen. Die Kollegen werden denken, sie ist einfach nach Deutschland zurückgegangen. Die in Deutschland werden denken, sie lebt sich gerade gut ein in London und werden nicht stören wollen. Es als gutes Zeichen werten, dass sie nicht anruft. Herr Kessner hat sie sowieso noch nie gestört.
Sie muss an irgendetwas Nettes denken. Irgendwann....
Wird Sie aus den Gedanken gerissen. „Vermissen wird dich erst mal keiner, zumindest heute noch nicht. Mal überlegen, was wir mit dir machen! Aber da fällt uns schon noch was ein“.
Elke will gerne wieder in ihr hässliches Monster-Singlebett, das sie nicht gefressen hat und die Entführung ungeschehen machen. Sie will wieder ein normales Leben haben. Den langweiligen Bürojob dazu. Auch mit Mick in d er Kneipe gehen und das auch noch gerne. Nicht mehr auf dem harten Laminatboden hocken. Wegen was überhaupt?
Sie versucht sich zu beruhigen. Vor Schwäche fällt ihr der Kopf zur Seite. So wie den Leuten in der U-Bahn. Aber auch sie ist wach. Panik kommt immer mehr in ihr hoch. Draußen düsen die Autos und Busse vorbei. Die Blase lebt. Der Kopf pocht. Kopf, Ferse. Ferse, Kopf. „Was hab ich da nur für Mist gebaut?“, fragt sie laut in den leeren Raum hinein. Sie atmet tief durch. Glückwunsch, Miss Elkie. Niemand hat heute kein Handy. Noch nicht einmal Kinder. Ihr Puls geht gegen Null. Erfolglos versucht sie diese düsteren Gedanken abzustellen.
Und schließlich nimmt sie der Schlaf dann auch und ihre Augen fallen einfach zu.
10
............ „Okay, wir fahren jetzt zu dir“, sagt der eine Typ am nächsten Morgen.
Jetzt, das spürt sie tief in ihr, wird alles wieder gut.
Ihr Studio ist noch kleiner als klein als sie es in Erinnerung hatte. Im Grunde ist es eine Ansammlung von Sperrmüll auf acht Quadratmetern oder so. Keine Ahnung wie viele genau. Die Engländer messen so nicht. Sie messen in Räumen. Und diese Wohnung hatte nur einen. Also war es ein Studio (eine Einraumwohnung). Neben dem ollen Bett mit Holzüberbau und bereits erwähnter integrierter Massagefunktion, gibt es nur einen Mini-Tisch mit wackligen Beinen, zwei rot lackierten Stühlen (auch die leuchtende glänzende Farbe machte sie nicht schöner), einen vergilbten Stoffschrank und eine Glühbirne, die müde von der Decke wackelt. Es gibt kein Radio, keinen Fernseher, keinen Computer, kein Internet, nicht einmal Telefon. Gar nichts Technisches.
Im Badezimmer kreucht es nach wie vor im Teppich, in dem schon vieles versickert und ertrunken ist, und der kalte Wasserhahn an der Badewanne tröpfelt von alleine vor sich hin. Der Hahn mit
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