Elchmus (German Edition)
jeden Fall schlechter. Über das Bier lässt sich streiten. Aber nur wenn es warm ist. Das volle englische Frühstück kommt wie ein komplettes Mittagessen.
Er hat das Gefühl, dass er die so gewonnene Kraft Nutzen muss, den Tag erfolgreich zu gestalten. Er will sich nicht damit abfinden, dass Ralf ihm ungeschoren eins ausgewischt hat.
Seit die Sonne heute Morgen aufgegangen ist, ist auch seine Zuversicht auf einen guten Tag kontinuierlich gewachsen. Er will Ralf finden und sein Leben ändern. So lautet seine Mission.
Im Radio läuft die Welt ganz normal weiter. Schon wieder hunderte auf Lampedusa angekommen. Kein Wunder, weil die Welt in Afrika so im Arsch ist. Er muss weiter heute. Bricht das Radiogelausche ab und verschwindet nach dem fetten Frühstück noch mal kurz in seinem Zimmer. Wickelt schließlich seine Kennzeichen in einen unbenutzten schwarzen Müllsack, und reiht sich dann in die zahlende Schlange bei Auntie Megan ein. „Have a lovely day, duck!“, sagt sein Vordermann zu ihr.
Auntie Megan aber strahlt ihn an. Sie will ihn noch immer. „35 Pounds, my love“, sagt sie lächelnd zu ihm. Er lächelt zurück. Soll sie ihn anschmachten. Erst sein Vordermann hat ihr klargemacht, dass sie eine alte Schrulle ist. Er muss da nicht noch einen draufsetzen, hofft aber, dass die Ente noch mal einen abkriegt in ihrem Leben. Aber vor allem hofft er, dass sein Auto noch da ist.
Der Renault wartet ganz brav auf ihn, leise und geduldig. Nicht wirklich sein Ding. Diese Eigenschaft. Er mag es lieber schnell und aufgemotzt. Aber im Hier und Jetzt ist der Renault sein Star. Mit den deutschen Kennzeichen sieht er dann auch ganz passabel aus. Ein Franzose in England in disguise.
In England leben viele Ausländer. Auch Mongolen. Ganz blöde Anrede, dieses Love und Honey und Duck, aber so gut wie jedem bekannt. Nur nicht Holger. „35 Pounds, my love,“ wiederholt Holger im Auto, und er lacht dabei durch die Nase. „Love, du brauchst eine Brille, du Ente“, sagt er in den Spiegel.
Er stellt seinen rechten Fuß im Turnschuh aufs rechte Pedal und fährt los. Der Strand, die Alte und Ralf und Elke. Er versucht die Gedanken abzustellen, aber merkt, dass es ihm nicht gelingt. Trotzdem muss Single-Urlaub am Meer gerade echt nicht sein.
„London: 50 Meilen“ , steht in diesem Moment wie gerufen auf einem Schild, das vermutlich ein liebes Mainzelmännchen extra für ihn an dieser Stelle in diesem Moment aufgestellt hat. London, ich komme, schreibt er in Gedanken unter das grüne Schild.
Dover geht dem Ende zu und verschwindet immer mehr im Rückspiegel. Das Vorbeiziehen der anderen Autos zieht an seinen Nerven. Er stellt den CD-Spieler an. Dieser spielt schreckliche französische Chansons und stirbt daher sofort wieder. Im Radio hält der erste Sender gerade mal eine Sekunde mit Blue und der schrecklichen Eurovision Song Contest Nummer der Zwillinge. Aber der zweite spielt ACDC, Highway to Hell. Sein rechtes Bein wackelt wieder. Aber dieses Mal im Takt. Highway to Hell. ACDC sind schwer in Ordnung. Holger würde am liebsten der ganzen Welt verkünden, dass er weiß, dass ACDC für Wechselstrom steht. Strom, der gerade seinen Körper durchfließt und ihn dabei ganz zärtlich streichelt.
Vielleicht wird ja doch noch alles gut. Auch langfristig.
26
............Looe ist anders als alles andere. Nicht nur anders als zu Hause. Anders als jede Hafenstadt, die sie je gesehen hat. Selbst Cannes kann da nicht mithalten, findet sie. Schon die Häuser sind hübscher als hübsch. Die engen Gassen können das sogar noch toppen. Und der Küstenpfad toppt das Ganze dann noch mal. Die berühmten kleinen englischen Häuschen sind hier die reinsten Schmuckschatullen. Die untergehende Sonne liefert weitere ernst-zunehmende Konkurrenz im Wettrennen um den Schönheitspreis.
Elke will am Strand sein, bevor der dicke gelbe Ball im Meer eintaucht. „Room to rent“ (Zimmer zu vermieten) steht an einigen Häuschen. Alles Bed & Breakfast-Pensionen. Was für ein Leben, denkt Elke. Irre Stimmung. So friedlich, doch so pulsierend. Ralf genießt und denkt er sei auf den Malediven.
Einmal Englisch, immer Englisch. England schleicht sich immer mehr in ihren Körper. „Hier geht ein Public Footpath (öffentlicher Fußweg) runter zum Strand“, sagt Ralf. Gestern noch saufend an einem Traumstrand. Heute nüchtern an einem neuen. Gott sei Dank klingt der ganze Traum dieses Mal auch nüchtern richtig. Die Götter können England auch gut
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