Elchmus (German Edition)
vor den Toren der Stadt. Im Grunde aber wie jeder Stadtteil in London, ist auch noch Zone 6. Viele kleine Cafés und Charity-Shops neben den bekannten Bekleidungsketten. Biofutter von Kühen und Schweinen, die zu Lebzeiten knietief in der Scheiße gesteckt haben, ohne Ende. Organisierte Massenhähnchen-Quälerei. Teure Einzelbehandlungen lohnen sich heutzutage nun mal nicht. Die Ökos haben was von Bio-Qualität gesagt. Qualität gibt es für Bio aber nicht. Nicht nur Kinder fressen einem die Haare vom Kopf.
Mit noch immer vollem Burger-Bauch sitzt Holger eine Viertelstunde später am Themseufer auf einer Bank. Ein Angler sitzt auf seinem klappbaren Stuhl majestätisch vor ihm. Seine Wasserflasche steckt in seiner linken Stuhltasche. Sein Radio plärrt leise. Zu leise für Holger. Er hört nichts und so langsam wird es auch langweilig, so ganz alleine.
Er läuft los , ohne Ziel und landet circa zehn Minuten später in Kingston, einem kleinen Städtchen mit Fußgängerzone wie in good old Germany. Frauen mit Kindern ohne Ende. Alle lächeln ihn an und wollen eine Affäre.
Wenn er jetzt nicht so verschwitzt wäre, könnte er diese Chance gut nutzen. Gesagt, getan. Next (Klamottenladen) ist voll seins. Und Schuhe gibt es hier praktischerweise auch. Mit neuen Tretern und neuem Outfit kommt er eine knappe halbe Stunde später wieder aus dem Laden raus. So langsam steigt seine Laune.
In der Gym, unten an der Themse, bekundet er dann eine weitere halbe Stunde später ernsthaftes Mitgliederinteresse und übersteht in der Tat die Probestunde gut. Allerdings braucht er die Dusche nun umso mehr. Das Radio dudelt in der Umkleide. London FM. Neue Flüchtlinge aus Lampedusa sind schon wieder die Nachricht schlechthin. Daneben sind seine Probleme gar keine Probleme. Auch wenn er es noch zu nichts im Leben gebracht hat. Immerhin kommt er aus Deutschland. Aber befindet sich zurzeit freiwillig in England. Er findet es schrecklich von Hartz 4 leben zu müssen und hat sich dafür in Bochum echt mehr als geschämt. Alle Lampedusa-Flüchtlinge hätten mit 375 Euro monatlich wahrscheinlich mehr als jemals zuvor in ihrem Leben. Wenn sie es bis nach Deutschland schafften und die Reporter dies publik machen täten, würde es in Deutschland zumindest dieses Jahr kein Sommerloch in den Nachrichten geben. Und vielleicht nie mehr.
Auch egal. Die neuen Klamotten fühlen sich gut an und haben ihn wieder ausgehfähig gemacht, so dass er sich endlich wieder an die Frauen ran wagen kann. „Na, klar, bin ich cool“. Er grinst in sich hinein und eine Hausfrau an. Er weiß mittlerweile ja, dass er gut ankommt, wenn er lacht...
Den Rest des Nachmittags muss er jetzt noch irgendwie sinnvoll rumkriegen. Langweiliger kann es heute aber nicht mehr werden. Der Angler sitzt noch immer in seinem Klappstuhl an der Themse. Ob der englische Fisch auch wie der deutsche schmeckt?
Entspannung für ihn fühlt sich anders an. Eine eigene Angel wollte er noch nie und will sie auch jetzt nicht. Er geht den Weg zur Hauptstraße zurück. Unter Umständen muss er sein Leben alleine verbringen. Und das will er nicht. Er will sein ganzes altes Leben hinter sich bringen. Und während er kurze Zeit später die neuesten Filme im DVD-Verleih bestaunt, entspannt er endlich.
Ein neues normales Leben wartet auch auf ihn. Er wird nicht in Deutschland arbeitslos versauern und er wird sein Leben auch nicht alleine verbringen. Und er wird sich seine Rente von niemandem klauen lassen.
Er wird auch Ralf verzeihen, dass er mit Elke durchgebrannt ist. Dass er ihn hat sitzen lassen und dass auch noch ohne sein Auto. Und während er weiter durch den Laden streift, ignoriert er auch gekonnt die blonde Schönheit hinterm Regal. Wirklich guter Zufall, dass er noch keine Wohnung und keinen DVD-Spieler hat. Auf jeden Fall verlässt er den Laden ohne eine neue Frau, ohne neuen Film und ohne anderes Gedöns und schiebt sich auf die volle Straße, Richtung Hauptbahnhof, der ihn aus diesem Pendlerort rausbringen soll.
Karnickelställe in der Peripherie sind wirklich so gar nicht seins.
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............ Nach dem menschenleeren Strand und den Ereignissen der letzten Tage spricht das Bier Ralf und Elke gar nicht mehr an. Draußen will man jetzt sein. Alleine. Am Lagerfeuer. Hier ist es nicht gefährlich. Hier gibt es keine Pistolen. Seine hat bestimmt das Meer geschluckt.
Ein kleines Softeis hilft über den ersten Hunger. Der Corner Shop hatte amerikanische Marshmallows im Sortiment. Und
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