Elchmus (German Edition)
Cornwall News und sucht mal wieder vergebens nach einer Sensationsmeldung. Und sucht ein paar Sätze oder auch nur einen Satz, der seinem Arbeitsleben ein wenig Pep gibt. Aber nicht einmal ein einziger Bed & Breakfast-Gast scheint gestern Abend seine Brieftasche verloren zu haben.
Es geht noch lange nicht auf den Feierabend zu. Selbst die Mittagspause liegt noch in weiter Ferne. Bis dahin kann er das Blatt 100 Mal lesen. 1000 Mal, wenn er wollte. Er sollte ernsthaft Strichliste führen und seinen Schreibtisch nicht eher verlassen bis er die 1000er Marke erreicht hat. Dann würde er auch endlich die Glotze ausmachen. Die Frauen in den Gerichtsshows tragen bauchfrei, um die Hausmuttis zu ärgern.
Er ist noch keine 50, aber sein Gehirn produziert im Büro nichts. Wie bei einem alten Opa. Durch das Fenster kreischt eine Möwe wie aus seiner anderen Welt. Er hat echt keine Idee, wie er den Tag rumkriegen soll. Zur Maniküre war er erst gestern während der Arbeitszeit gewesen. Seine Haare brauchen keinen Frisör mehr. Aus der Reinigung muss nichts mehr abgeholt werden. Viagra hat er noch in Mengen und sonst nimmt er noch keine Medikamente.
Er w ählt noch mal die 1471. Nein, keiner hat ein Verbrechen melden wollen. Kein verpasster Anruf. Nicht einer. Er sieht wieder auf das Blatt. Für einen winzigen Moment glaubt er das Wort Waffe gelesen zu haben. Und spürt die längst vergessenen Härchen auf seinem Oberschenkel tanzen. Er schmatzt weiter auf seinem Kaugummi, der um diese Uhrzeit immer noch zitronig nach Zitrone schmeckt. Frisch wie eine … stoppt sein Kiefer soeben.
„Die Waffe wurde am Strand von Torbay gefunden“. Steht da wirklich. Schwarz auf weiß. Inspector Barnaby à la Tatort kommt erst morgen um 21 Uhr. Kommissar Malcolm liest weiter, und sein Kiefer fällt prompt noch eine Lade tiefer. „Das Magazin der Glog ist bislang nicht aufgetaucht“. Er würde es am Liebsten suchen und finden. Am Liebsten jetzt und sofort und am Allerliebsten ein geeignetes aufregendes Verbrechen dazu. Und endlich eine Tagesaufgabe haben.
Er ist praktisch wie tot im Büro. Der Lack von der Tischplatte ist ab. Wie bei ihm. Er knallt gleich mit dem Kopf auf diese. Er ist wie gesagt noch keine 50, aber seine Libido hat gefühlte 100 auf dem Buckel. Drinnen. Draußen nach Feierabend macht der alte Libidosack Platz für den Testosteronboxsack eines 20-jährigen. Der Büromief löst sich dann auf wie der Instantkaffee, den er den ganzen Tag in sich reingekippt hat. Schnell und leise. Aus die Maus.
Die Luft, die draußen warm vom Atlantik rüber weht, ruft nach ihm , muss aber noch warten. Er muss irgendetwas tun. Er liest weiter. „Wahrscheinlich ist die Glog schon vor einigen Tagen an den Strand gespült worden. Der Fall ist damit abgeschossen“.
Ein Tippfehler hat sich hier eingeschlichen. Er könnte den melden. Damit würde er allen zeigen, wie gewissenhaft er seinem Job nachgeht. Er hat noch nicht mit seinem Leben abgeschlossen. Lädt seine Musik im Büro aus dem Internet und joggt damit über die Strandpromenade. Tut zumindest so. Auf einem Abschnitt zwischen zwei Bänken. Er weiß immer, was gerade so läuft und ist damit in. Checkt ja täglich die Charts und hört auch keine Alte-Sack-Musik auf Gammelfleischparties auf Kukidentdampfern. Tom Waits macht ihn nicht depressiv.
Sein Leben hat den richtigen Vibe. Nur sein Job ist Alltag. Und Alltag hat ja nie den richtigen Sound.
Ein langer sonnenreicher Arbeitstag geht irgendwann dann doch dem Ende zu. Aber endlich draußen, hat er das Gefühl, er müsse dem Tag noch was ab gewinnen. Kennt er schon. Eingeschlafene Energien erwachen. Wie immer. Aber heute erst recht.
Er s chwingt sich in sein Cabrio und lässt seinen noch immer recht muskulösen braunen rechten Unterarm schon wieder den Vortritt. Bald wird er aussehen wie ein Pinguin. Halb weiß, halb schwarz. Allerdings im Hochformat. Dagegen muss er natürlich bald mal was tun.
Sein Hemd ist jetzt einen Knopf weiter aufgeknöpft als im Büro. Seine nicht vorhandenen Haare wehen schön im Wind und er wird heute mal im Torbay nach dem Rechten sehen. Kommissar Wichtig spielen. Dort gibt es haufenweise Surfer, die haufenweise schöne Mädels anziehen, denen auch er Bier mit Ananasgeschmack kaufen kann. Seine Anlage spielt Milos „You and me“ und verkündet lautstark, dass er hip ist:)
Sein Cabrio versprüht Freiheit. Graue Mäuse gibt es nur bei den Frauen. Das Büro liegt bereits in einer anderen fernen Galaxie.
Weitere Kostenlose Bücher