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Elchmus (German Edition)

Elchmus (German Edition)

Titel: Elchmus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Brocks
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nicht da sind (die Türen haben sie verraten) oder zumindest keinen Mucks von sich geben. Ihr Mini-Zimmer hat nur ein Bett und eine Kommode und ist trotzdem mehr als vollgestopft. Die Klamotten hängen an vier Leinen, die kreuz und quer durchs Zimmer gespannt sind. Enge macht offenbar erfinderisch.
    Aber das interessiert ihn hier alles irgendwie nicht. Er will nur noch aufs Bett mit der schönen Unbekannten, auch in unschöner Umgebung. Die zu große Sonnenbrille hat das Gesicht zwar verdeckt, ihr Kopf bleibt aber auch ohne diese Riesenbrille klein. Sie streichelt ihm bereits durch seine Haare. Er muss unbedingt mal wieder zum Friseur, denkt er dabei. Sonst fühlt er nichts. Und das obwohl die Tusse weiche Haut hat und einen kleinen süßen Arsch. Sie spricht auch ganz süß, aber leider zu viel. Das wird es sein. „Cheri, ich wünsche mir so sehr einen richtigen Freund. Und Kinder! Und Heiraten will ich auch“. Holgers Traumwelt bricht schon wieder zusammen, bevor er überhaupt ernsthaft mit dem Aufbau begonnen hatte.
    Trotzdem wird er ein paar Tage bleiben. Einfacher geht es gerade nicht. Frauen wie Sandrine kann er mit seiner bloßen Präsenz beglücken. Liebe fühlt sich anders an. Das weiß er, obwohl er sie nicht kennt. Irgendwann hört sie dann auch auf zu reden und er kann endlich schlafen.
     
    Sandrine pendelt jeden Tag vom Regent Park nach South Kensington. Holger hat keine Ahnung, wieso ihm schon wieder ein französischer Staatsbürger über den Weg gelaufen ist, und das in kürzester Zeit. Bringen ihm aber Glück die Frenchmänner und Frenchfrauen. Er hat heute nichts besonders vor, aber dafür endlich einmal ausgeschlafen.
     
    Sandrine hat ihm eine Kussnachricht hinterlassen und ihre Schlüssel vertrauensvoll daneben drapiert. Im A-Z sucht er nach South Kensington. Hier wohnen und arbeiten die Franzosen. In Richmond die Deutschen.
     
    Holger hat nichts Besseres zu tun und will dorthin. 400 km könnte er in London täglich U-Bahn fahren. Oder waren es Meilen? Den ganzen Tag. Hin und zurück. So lang ist das Londoner Netz und so lange gelten die Tickets.
     
    Wo wäre er jetzt, wenn er die Tusse nicht getroffen hätte, fragt er sich? Nachdem er eine ganze Weile U-Bahn gefahren ist, kommt er durch Fulham durch. Hier gibt es angeblich die besten und billigsten Fußballtrikots, und einige davon muss er endlich haben. Er hat ja jetzt auch Knete in der Tasche. Danach geht es wieder in die Röhre. Das Leben in London findet zu einem großen Teil in der Tube statt. Auf dem Weg zur Arbeit und auf dem Weg zurück von der Arbeit. Rumpel di Pumpel. Auf und ab. Meist im Dunkeln. Lesen kann er da nicht, tut er eh nicht. Und schlafen auch nicht.
     
    Sandrine macht sich in der Tube fertig. Sagt sie. Inklusive Schminken. Vielleicht sollte er Fahrräder kaufen. Er hatte sie eh vorgenommen, mehr Sport zu machen und ein Fahrrad kostet bestimmt nicht mehr als eine Monatskarte für die U-Bahn, Zone 6 inbegriffen. Und die braucht er sowieso, will er doch ganz London kennen lernen.

3 2
    ............ In South Kensington hat Sandrine derweil noch immer nicht ihren Arbeitstag geschafft. Heftige Herzstiche und Bauchschmerzen begleiten sie zudem schon den ganzen Tag. Sie hat das Gefühl endlich den richtigen Mann getroffen zu haben und kann nur noch an diesen denken. Nichts anderes geht heute bei ihr.
    Holger s freier Tag ist dahingegen unendlich lang. Er hat sich bei einem Herr Dresser aus Deutschland die Haare schneiden lassen. Stufe 2. Londoner Einheitshaarschnitt. Als er sich im Spiegel betrachtet (spießiger geht es nicht), schüttelt er den Gedanken an Fahrradausflüge zu zweit aber schnell wieder ab. Auch ohne Liebe in sich drin macht er sich auf in Richtung South Kensington. Pünktlich zum Feierabend für ihren 9-5 Job. Die U-Bahn fährt ihn hin. Unterirdisch. Nachdem sich seine Augen auch nach einer guten halben Stunde noch immer nicht an die Dunkelheit gewöhnt haben, gefällt ihm der Gedanke mit dem Fahrrad aber doch wieder. Er kann ja auch alleine fahren. South Kensington. Endlich.
    Holger steht auf. 17 Uhr. Keine Nachrichten. Keine Engländer mit Bierdosen in der Hand. Trinken in der Öffentlichkeit ist hier verboten. „Doors are closing. Mind the gap“, sagt eine Stimme aus dem Hintergrund, um die Leute vor der abfahrbereiten U-Bahn zu warnen. Eine tiefe angenehme englische Stimme, die vermittelt, dass man sich hier besser nicht vor den Zug schmeißt. Und schon gar nicht in die Lücke.
    Sandrines Akzent ist

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