Elchmus (German Edition)
auch Bacon-Speck. Und Cod. Offensichtlich ein Fisch. Natürlich wissen sie nicht, was das für einer ist. Aber wenn der Cod nicht schmeckt, gibt es halt Bacon mit Brot. Weißbrot natürlich. Und die englische Seeluft umsonst dazu. Der Cod schmeckt auch ohne Gewürze. Picknick pur. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das Toastbrot stopft nicht, der Cod irgendwie auch nicht. Er tropft beim Grillen auch nicht.
Als beides aufgegessen ist, ist der Hunger noch immer da. Brav brutschelt daher danach der Bacon überm Feuer, spritzt bekannte und vertraute Geräusche und verbreitet gewohnte Grillgerüche. Man kann auch in England lecker grillen. Diese blöden Essensvorurteile sind echt nicht wahr. Genau wie diese Regenmärchen. Diese ganzen Ammenmärchen haben die Engländer gar nicht verdient. Die Stimmung ist gut. Der Nachtisch wartet. Gegrillte Marshmallows am Stock. Riecht lecker und schmeckt auch so. So gut, dass nichts mehr übrig bleibt.
Auf dem Weg zurück zum Auto muss Elke sich dann aber plötzlich lauthals übergeben. Sie wagt noch einen Schritt und versucht an etwas Schönes zu denken. Ralf nimmt es ihr nicht übel. Im Gegenteil! Er hofft, dass die Entführung endlich aus ihr rauskommt. Er muss schließlich immer alles auskotzen. Elkes Kotze schmeckt nach Softeis und schiebt die Bakterien der Eiszapfhahn-Maschine sanft aus dem Körper. Endlich kriegt sie die Belohnung, die sie vorhin beim Eiskauf schon befürchtet hatte. Aus dem Augenwinkel sieht sie, wie auch Ralf sich den Magen hält. Sie schafft es noch so eben auf den Beifahrersitz; dann fühlt und sieht sie nichts mehr. Sieht auch nicht, dass Ralf gerade kreidebleich verschwindet.
Als dieser gefühlte Tage später wieder auftaucht, können beide noch immer nicht sprechen. Er legt sich auf den Fahrersitz und atmet die Meeresluft ein, die nach nichts schmeckt. Sein Herz hüpft und sein Bauch grummelt. Die ganze Nacht. Diese schleppt sich dahin wie eine schlechte Ehe. Aber er muss dieses Mal keine Angst haben. Elke ist richtig für ihn. Er legt seine Hand auf ihren Oberschenkel. Das mag er.
Es ist doch alles in bester Ordnung. Sie haben sich lediglich den Magen verdorben. Magenverstimmung würde der Arzt das nennen. So als würde alleine die Diagnose schon alles wieder richten. In Wirklichkeit gehen die Leute zum Arzt, um zu quatschen und um sich den Frust von der Seele zu reden. In England nicht. In England könnte ein Hausarztbesuch dazu führen, dass man ins Krankenhaus müsste. Und die sind schlimmer als schlimm. Aber mit etwas Glück muss man dann noch ganze zwei Jahre auf seinen Termin warten und kann sich in dieser Zeit zu einem gesünderen Leben aufraffen, so dass der Krankenhausaufenthalt dann vielleicht doch komplett überflüssig wird. Und wenn er es doch nicht tut, kommt man vielleicht doch noch mal aufs Festland. Eine inzwischen anerkannte Art zu Reisen, auf der Insel hier. Die Alten kommen besonders gerne.
Elke hat ihr Leben bislang eigentlich ganz gesund geführt. Hat im Winter Strumpfhose und Unterhose getragen und ihre Ohren unter Mützen versteckt. Und auch eine warme Jacke hat oft gegen die Kälte geholfen. Offenbar dankt ihr ihr Körper das aber nicht. Wie die Engländerinnen diese Kälte halbnackt aushalten ist ihr noch immer unbegreiflich. Der Cod ist nicht allgemein ein schlechter Fisch. Er wollte nur nicht namenlos in die Geschichte eingehen und so gar kein Aufsehen erregen.
Elke kann nichts riechen. Immer noch nicht. Gar nichts. Sie will auch nicht ins englische Krankenhaus, auch wenn ihre Krankenkasse das bezahlen täte. Täte sie aber nicht. Und ihre deutsche Greencard sowieso nicht. Die gilt aber leider in diesem Fall auch nicht und schon gar nicht als Aufenthaltsgenehmigung für die USA. Duschvorhänge spielen in englischen Krankenhäusern Wände. Sogenannte Curtains. Aber keine Tonys. Curtains hängen auch an den Fenstern. Cod ernährt einen richtig. Vor ein paar Jahren hatte sie als junges Mädchen den Buchstaben C gelernt. So hat sie sich in der Schule aber nicht gefühlt. C. Sie muss die Augen schließen. Auch clotted cream wird mit C geschrieben. Die Courgette, die keine Gurke ist. Die Chips, die keine Chips sind. Cream cracker. Auch crumpets gehören dazu. Gerade holt sie das S. Schlaf. Schweinereien. Schwiegermütter, Schifferklaviere. Gerade als sie denkt, dass sie vielleicht doch in ein Krankenhaus muss, schläft sie ein. Ganz ohne Schmerzen.
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............ Kommissar Malcom schaut gelangweilt auf die Monatsausgabe der
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